01 - Ekstase der Liebe
Sie war ganz einfach verwirrt über den
Skandal, der plötzlich und ohne Vorwarnung über sie hereingebrochen war.
»Ich
würde mir nicht allzu viele Sorgen machen«, tröstete ihre Mutter sie. Sie war
gekommen, um sich zu verabschieden. Die Saison war vorüber und statt sich aufs
Land zurückzuziehen, machten der Herzog und die Herzogin eine seit langem
versprochene Reise nach Amerika, um ihre älteste Tochter Winifred zu besuchen.
»Ich
lasse dich in einer so heiklen Situation nur ungern allein«, sagte Adelaide,
»aber es ist eine Tatsache, dass man heutzutage nicht durch das Leben kommt,
ohne wenigstens einen aus dem Nichts entsprungenen Skandal durchzumachen. Wenn
ich nur daran denke, was man beispielsweise über deinen Vater sagte, als wir
jung waren! jemand hat mir allen Ernstes erzählt, dass Marcel kurz davor stand,
mich zu verlassen und mit einer jungen Opernsängerin nach Frankreich zu gehen.
Und als ich schließlich den Mut fand, deinen Vater danach zu fragen, hatte er
keine Ahnung, wer diese Frau war! Alles, was er dazu sagte, war.
>Frankreich? Frankreich? Verdammt ungemütliches LandSache wirklich missfällt, ist, dass ich dich allein lasse, während du schwanger
bist«, sagte Adelaide. »Schwanger zu sein ist eine so ermüdende Angelegenheit.
Trotzdem ist das Kind für dich die ideale Entschuldigung, zu Hause zu bleiben,
Liebste, und dich auszuruhen. Gib um Himmels willen dem Klatsch keinen neuen
Gesprächsstoff. Ich fürchte, du musst warten, bis dein Mann zurückkommst, bevor
du Lord Foakes' Bekanntschaft machen kannst.«
Charlotte
hörte stumm zu, während die Ratschläge auf sie herniederregneten. »Aber Mama,
Lord Foakes hat mir eine Nachricht geschickt, dass er mir heute Nachmittag um
vier Uhr seine Aufwartung machen wird. Ich kann ihm doch keine abschlägige
Nachricht zusenden. Das wäre unhöflich.«
Adelaide
hatte die ideale Lösung parat. »Sag ihm, er soll seine Kutsche wegschicken,
Liebling. Seine Dienstboten können die Pferde um den Park herumführen und
keiner wird etwas merken. Aber du darfst in der Öffentlichkeit keine Zeit mit
ihm verbringen. Das wäre verhängnisvoll.«
Charlotte
bemerkte den ernsten Gesichtsausdruck ihrer Mutter und versprach, Patrick um
jeden Preis zu meiden.
»Jetzt
können wir nur darum beten, dass irgendeine närrische Person beschließt, mit
ihrem Diener durchzubrennen«, sagte ihre Mutter munter. »Diese Art von
Geschichten verschwindet immer nach ein paar Wochen - besonders wenn es
nichts gibt, was das Feuer am Brennen hält. In einem Jahr kannst du zweimal mit
Patrick tanzen und keiner wird es auch nur bemerken.« Dann zögerte sie.
»Liebling, war Patrick der Mann im Garten?«
»Oh,
Mama, natürlich nicht!« Charlotte war empört. Niemand glaubte ihr, ihre Mutter
nicht und auch nicht ihr Ehemann. »Es war Alex, wie ich dir gesagt habe.«
Adelaide
war maßlos erleichtert. Sie hatte beherzt ihre Sorgen vor Charlotte verborgen,
weil sie glaubte, dass Unruhe schlecht für ihre Schwangerschaft sei. Aber ihr
wurde übel, wenn sie sah, wie nahe dieser ganze Skandal der -Wahrheit
kam. Das war das Schlimmste daran. Sie war froh nach Amerika abzureisen, weil
sie keine besonders gute Lügnerin war und immer befürchtete, die Leute könnten
erkennen, wann sie Halbwahrheiten erzählte.
Schließlich
küsste Charlotte ihre Mutter pflichtbewusst zum Abschied. Adelaide
verabschiedete sich mit einem verworrenen Vortrag über Schwangerschaft, Geburt,
Hebammen, Arzte und Ammen. Charlotte hörte wie betäubt zu. Sie konnte immer
noch nicht glauben, dass sie schwanger war. Es hatte bis jetzt keine Anzeichen
dafür gegeben, von ihrem Ohnmachtsanfall abgesehen. Sie fing an zu glauben,
dass Ohnmachtsanfälle ein Indiz für eine Schwangerschaft waren, denn sie hatte
jedes Mal, wenn sie zu schnell aufstand, das Gefühl, als drehe sich alles. Aber
sie war noch bei keinem Arzt gewesen. Charlotte schauderte. Sie war vollkommen
gesund; sie musste einfach nur sitzen bleiben, wenn sie nicht riskieren wollte,
sich zu blamieren.
Also
lächelte Charlotte an diesem Nachmittag den Bruder ihres Mannes anmutig an und
winkte ihn auf einen Stuhl, ohne aufzustehen.
»Sie
müssen wissen«, vertraute sie ihm an, »dass ich, oder vielmehr Alex und ich,
ein Kind bekommen, und das scheint mich etwas schwindelig zu machen.«
Patricks
Augen leuchteten auf. Er war erleichtert zu hören, dass sein Bruder keine
schwermütige Frau geheiratet hatte, die ständig in Ohnmacht fiel.
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