01 - Ekstase der Liebe
an der Tür.
»Sie
hat schon den ganzen Abend gefragt, Mylady«, erwiderte Katy auf ihre
unausgesprochene Frage. »Ich habe ihr gesagt, dass ihr Vater zurückkommt, aber
sie glaubt mir nicht.«
Charlotte
kniete sich hin und zog Pippa auf ihre Knie.
»Er kommt zurück, mein Püppchen«, flüsterte sie in Pippas weiche Locken. »Du
erinnerst dich doch noch, als wir zusammen nach Schottland gefahren sind und
dein Papa dort auf uns gewartet hat?« Charlotte stand auf, Pippa immer noch
liebkosend, und drehte sich zum Bett.
»Katy,
ich werde Pippa heute Nacht hier behalten«, sagte sie entschlossen. Katy
knickste und schloss leise die Tür.
Charlotte
kletterte in das Bett zurück und steckte die weinende Pippa neben sich unter
die Decke.
»Pippa«,
flüsterte sie, »soll ich dir eine Geschichte erzählen?« Pippa antwortete nicht.
Aber Charlotte erinnerte sich daran, dass sie selbst die Geschichten geliebt
hatte, die ihr Kindermädchen ihr erzählt hatte, als sie klein war. Also begann
sie, von der Mama Henne und ihren drei frechen kleinen Hühnchen zu erzählen.
Nach einer Weile hörte Pippa auf zu weinen und wandte ihr Gesicht Charlotte zu.
Dann, als Charlotte das Piep-Piep der drei frechen Hühnchen zwitscherte,
die ihr Haus auf der Suche nach Abenteuern verließen, spürte sie, wie Pippas
Körper sich entspannte und ihr Kopf an Charlottes Arm schwer wurde.
Charlotte
lag in der warmen Dunkelheit einen Augenblick lang wach. Plötzlich erschien ihr
das Bett nicht mehr so groß und unfreundlich. Pippa hatte sich an ihrer Seite
zusammengerollt und in ihrem Bauch wuchs mit jeder Sekunde Alex' Kind.
Charlotte lächelte. Bald würde sie zwei kleine Würmchen haben.
Am
nächsten Morgen begann Charlotte Malls Porträt, zu deren Kummer und Freude, noch
einmal von neuem. Mall liebte es, in dem luftigen Atelier ihrer Herrin zu
sitzen. Sie freute sich über die Zeit, in der sie ihre Füße ausruhen konnte.
Aber sie brannte andererseits darauf, sich selbst auf einem Bild zu sehen. Sie
hatte keine Ahnung, warum die Herrin sie malen wollte, und hoffte, dass sie sie
auf der Leinwand in eine große, Schönheit verwandeln würde.
Nach
zwei Wochen hatte Charlotte größere Fortschritte an dem Porträt gemacht als je
zuvor. Außerdem hatte sie Sophie zu zwei Bällen, zwei Hauskonzerten und in die
Oper geschleppt.
»Ich
hasse Hauskonzerte«, beschwerte Sophie sich und schwenkte vorsichtig den
Fächer. »Wir sind nicht besonders vorteilhaft gekleidet. In weißem Musselin
gefalle ich mir nicht. Sieh dich doch nur um: Alle Frauen sehen wie weiße
Gespenster aus. Wir sehen aus wie Schafe und das veranlasst Männer dazu,
langweilige Bewunderer ihrer selbst zu werden und nur noch ihren Halsbinden den
Hof zu machen. Sieh dir doch einmal den Gecken an, der sich meinen Cousin
nennt.« Sie lächelte dem ehrenhaften Francois de Valcon, dem Neffen ihrer
Mutter, anmutig zu. Dann wandte sie sich wieder an Charlotte. »Er ist mehr um
den richtigen Sitz seiner Halsbinde besorgt, als ich es wäre, wenn mein Kleid
über meine Knöchel hochflöge.«
»Das
liegt daran, weil du deine Knöchel genauso bewunderst wie Francois seine
Kunstfertigkeit, Halsbinden zu binden«, flüsterte Charlotte zurück.
Sophie
lachte. »Hauskonzerte sind schon deshalb besonders langweilig, weil man nur
herumsitzt und zuhört, wie jemand singt. Ich möchte tanzen. Es ergibt sich
immer die Möglichkeit, meine Knöchel zu zeigen. Sieh dir diesen Raum an. Es
sind nur Schürzenjäger hier, die uns zwar lustlos den Hof machen, es aber
tatsächlich nur mit ihrer Mätresse tun.«
»Du
solltest nicht so reden, Sophie!«, protestierte Charlotte. Aber als sie sich
umsah, musste sie Sophie Recht geben. Hauskonzerte waren etwas für die
Gelangweilten und Geckenhaften; Mrs Felvitsons russische Sängerin sang
unverständlich und monoton. Der Raum war voller junger Matronen, wie sie
selbst, die von uninteressierten Gecken matte Komplimente entgegennahmen.
»Und
all diese alten Frauen: Sie hoffen nur auf einen Skandal«, fuhr Sophie
angewidert fort. »Wir sollten gehen, Charlotte. Das sind alles schlecht
gekleidete Weiber, die darauf brennen, etwas Staub aufzuwirbeln. Wenn ein
Wüstling zur Tür hereinkäme und zufällig eine Frau ansähe, würden sie daraus
eine Geschichte machen.«
»Lass
uns gehen«, erwiderte Charlotte und erhob sich. Aber dann fiel ihr Blick auf
einen großen Mann, der sich gerade zur Begrüßung vor Mrs Felvitson verbeugte.
»Alex!«,
rief sie. Sie machte einen
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