01 - Ekstase der Liebe
eine sehr genaue Vorstellung,
wer sie geschrieben hatte. Es waren Briefe von Napoleon an Josephine. Und sie
waren geschrieben worden, bevor das Paar verheiratet war. Genauer gesagt waren
sie geschrieben worden, als Josephine noch mit General de Beauharnais verheiratet
war.
Alex
stieß einen leisen Pfiff aus, als er den dritten Brief las. Dann grinste er. Er
hatte gehört, dass Josephine wunderschön war ... aber Schönheit schien nicht
ihre einzige begehrenswerte Eigenschaft zu sein. Als er alle Briefe gelesen
hatte, blickte Alex düster drein. Er konnte sich gut vorstellen, was die
englische Regierung mit diesen Briefen vorhatte. Die Franzosen hielten noch
immer zahlreiche Aristokraten in ihren Kerkern gefangen und er hielt das
Lösegeld für einige dieser unglücklichen Leute in den Händen. Alex faltete die
Briefe sorgfältig und steckte sie in seine Brusttasche.
Plötzlich
schienen die fünf Monate, die er in Italien festgesessen hatte, belanglos. Er
hatte eine geliebte, wunderschöne Frau, die in England auf ihn wartete, Luciens
Frau und sein kleiner Sohn würden nie wieder zurückkehren. Die Briefe waren zu
spät aufgetaucht, um sie zu retten. Aber sie konnten eine andere Familie aus
Bonapartes Gefängnis freikaufen. Alex rief dem Kutscher mit neuer Tatkraft
etwas zu. Diese Briefe mussten so bald wie möglich nach England gelangen, noch
dringlicher als er selbst.
Fünf
Monate, nachdem er England verlassen hatte, stand Alex an Bord eines Schiffes
und lächelte, während ihm ein kalter, feuchter Wind von der englischen Küste
entgegenblies. Nichts war so markerschütternd kalt wie ein leicht regnerischer,
ablandiger Wind, und doch gab es nichts, was so herzerwärmend englisch roch,
dachte er. Als ihr Schiff sich die Themse hochschlängelte, kamen langsam die
Reihen regenfleckiger Pubs in Sicht, die am Kai Londons standen. Erleuchtete
Fenster blinkten auf und verschwanden hinter dem strömenden Regen, der zur
Küste jagte. Lucien erschien an seiner Seite, dick gegen den Sturm eingepackt.
Alex
legte ihm herzlich einen Arm um die Schultern. »Wir haben es geschafft!«,
brüllte er gegen das angestrengte Knarren des kleinen Schiffes an, während es
langsam in den Hafen einlief Stauer begannen sofort, auf der Landungsbrücke auf
und ab zu traben, um Weinkisten auf den Kai zu tragen.
»Vorsichtig!«,
rief Alex, seine Stimme übertönte das Geräusch des schräg fallenden Regens.
Einer der Seeleute sah überrascht auf, aber die Stauer schenkten ihm keine
Beachtung, sondern suchten sich geschickt ihren Weg durch die Stapel von
Ladung, Winden, Seilen und Abfall, die den Kai bedeckten.
»Sie
beachten dich nicht«, lachte Lucien. »Sie kennen ihre Arbeit.«
»Ich
mache mir keine Sorgen, dass sie eine Kiste fallen lassen«, Sagte Alex. »Aber
wenn sie den Portwein schütteln, muss er sich zwei Jahre lang setzen ... und
ich könnte jetzt sofort einen Schluck gebrauchen.«
Lucien
drehte sich um und nahm seine Schwester Brigitte in die Arme. »Habe ich dir
nicht gesagt, dass du in der Kabine auf mich warten sollst?«, schimpfte er.
Alex konnte nur ein paar leuchtende, helle Haarsträhnen sehen, die unter
Brigittes Kapuze hervorlugten. Er hatte Luciens mutige kleine Schwester während
der zwei Wochen an Bord des Schiffes sehr ins Herz geschlossen. Sie verlor
endlich ihr bleiches, angestrengtes Äußeres und fing an, wie ein schelmisches,
dreizehnjähriges Mädchen auszusehen.
»Ich
wollte England sehen«, sagte sie mit starkem französischem Akzent. »Es ist mein
neues Zuhause, nicht wahr?«
Alex
legte ihr einen Arm um die Schulter und die drei sahen gemeinsam zu, wie der
Rest der Ladung vom Schiff getragen wurde. Alex wusste in der Tiefe seines
Herzens, dass er nie in seinem Leben stolzer auf etwas sein würde, als er es
auf seine Reise nach Frankreich war. Die Tatsache, dass dieses lebendige,
hübsche Mädchen am Leben war, war zum Teil sein Verdienst; nach dem, was
Brigitte ihnen erzählt hatte, waren dem Putzmacher immer mehr Fragen über seine
angebliche Nichte gestellt worden. Es war nur ein Frage der Zeit, bis Brigitte
zu einem Verhör zur Polizei gebracht worden wäre.
Alex
zeigte auf das Ufer. »Dein neues. Zuhause liegt vor dir. Wollen wir an Land
gehen?«
»Daphne
wartet auf uns«, sagte Lucien zu seiner Schwester.
»Glaubst
du, dass Daphne nach dem Ende der Saison in London geblieben ist?«, fragte Alex
neugierig. »Wird sie sich nicht aufs Land zurückgezogen haben?«
»0
nein«, sagte Lucien mit
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