01 - Ekstase der Liebe
übertönte alles andere. »Mylady, Sie müssen aufhören zu
schreien und Ihre Kraft sparen. Senken Sie die Stimme!«
Alex
kämpfte in Patricks Armen. »Mein Gott, er schreit sie an. Ich werde ihn
töten!«, sagte er durch zusammengebissene Zähne.
Patrick
packte Alex' Schultern mit beiden Händen. »Hast du schon einmal gesehen, wie
eine Frau ein Kind gebärt?«
»Es war
ganz anders«, sagte Alex heftig. »Sie lag einfach nur da und da war das Kind
... Blut, aber dann trank sie ein Glas Wein und das Kind fing an zu saugen.«
»Wahrscheinlich
das fünfte oder sechste Kind«, meinte Patrick. »Du weißt, dass Frauen im
Kindbett sterben können, Alex. Denk an Mutter. Es passiert ständig und am
häufigsten beim ersten Kind. Charlotte muss ihre Kräfte sparen. Der Arzt hat
Recht. Ich habe in Indien gesehen, wie eine Frau starb. Sie hatte nach einer
Weile einfach keine Kraft mehr.«
Alex
riss sich aus der Umarmung seines Bruders und lehnte sich an die Wand. Er
zitterte am ganzen Körper. Es herrschte Stille im Raum. Dann brachen erneut
entsetzliche Schreie hervor. Patrick schüttelte ihn leicht.
»Ich
nehme deine Tochter mit ins Dorf und gebe sie bei der Frau des Vikars ab«,
sagte er. »Man kann Charlotte im ganzen Haus hören.«Er eilte davon.
Alex
lehnte sich ohne eine Antwort an die Wand. Zwei Stunden später betete er innig
und versprach alles, was er besaß. Charlotte hatte aufgehört zu schreien, aber
er wusste nicht, ob das schlecht oder gut war. Es klang nicht gut. Die Wehen
kamen noch, aber alles, was er hörte, war ein Wimmern und taues, stöhnendes
Atmen.
Er
konnte nicht mehr denken, er war von quälender Trauer gefangen und spürte, wie
ein schwarzes Meer über seinem Kopf zusammenschlug. Charlotte war sein Herz und
seine Seele. Sie quälte sich im Raum nebenan und er konnte sie nicht einmal in
seinen Armen halten, weil sie Angst vor ihm hatte.
Die
Stunden schlichen dahin. Patrick brachte ihm ein Stück Fleisch und ein Glas
Wein, das unberührt auf einem Tablett stehen blieb. Er brachte zwei Stühle und
setzte sich neben Alex, ein stiller, tröstlicher Gefährte. Alex konnte sich
nicht überwinden, sich hinzusetzen. Er blieb an die Wand gelehnt stehen.
Dann
hörte man Sophies Stimme durch die schwere Eichentür, sie klang verzweifelt.
»Charlotte!
Charlotte! Du darfst nicht aufgeben! Wach auf, wach auf!«
Es
erhob sich aufgeregtes Stimmengewirr. Alex richtete sich auf. Der Arzt sollte
zur Hölle fahren. Er würde hineingehen. Die kleine Menschentraube sah nicht
einmal auf. Charlotte lag jetzt auf ihrem Bett. Sie war nackt, ihr Bauch erhob
sich über ihren schlanken Körper. Blankes Entsetzen durchfuhr Alex' Herz. Er
konnte nur einen kurzen Blick auf ihr Gesicht erhaschen, sie sah aus wie der
leibhaftige Tod. Sie wird sterben, dachte er. Sie wird sterben. Meine
wunderbare, bezaubernde Charlotte wird sterben.
Er ging
zum Bett. »Geht hinaus«, sagte Alex.- Der Arzt sah nicht auf, er
schwenkte Charlotte Riechsalz unter die Nase, aber sie reagierte nicht auf den
scharfen, beißenden Geruch. Alex packte seinen Arm und riss ihn zurück.
»Geht
hinaus!«, brüllte er. Die kleine Schar Frauen zuckte erschrocken vom Bett
zurück.
Endlich
sah der Arzt ihn an, sein Blick war erschöpft, aber ruhig. »Mylord, das Kind
lebt noch. Ich kann versuchen, das Kind zu retten.« Die Worte fielen in den
Raum wie schwere Wassertropfen.
Alex
starrte ihn ungläubig an. Dann zischte er durch seine Zähne: »Hinaus.«
Dr.
Seedland sah ihn mitfühlend an. »Ich warte draußen. Ich kann Ihnen zehn Minuten
geben«, meinte er. »Danach wird es auch für das Kind zu spät sein.« Er legte
einen Augenblick die Hand auf Charlottes Stirn und sah auf seine Patientin
hinunter. Dann scheuchte er die drei ihm assistierenden Frauen aus dem Zimmer.
Nur
Sophie blieb, wo sie war, neben Charlottes Kopf.
Alex
blickte auf Sophies grimmiges, unversöhnliches Gesicht hinab. »Ich muss es ihr
sagen«, sagte er mit brechender Stimme. »Ich muss es ihr sagen.«
»Sie
kann Sie nicht mehr hören«, meinte Sophie tonlos.
»Bitte,
Sophie«, sagte Alex. »Bitte.« Sie sah ihn an und in der blauen Tiefe ihrer
Augen sah er eine Verachtung, der er nie zuvor bei einem menschlichen Wesen
begegnet war. Sie durchbohrte sein Herz wie ein Pfeil.
»Bitte.«
Sophie
senkte den Kopf. Sie beugte sich vor und küsste Charlotte auf beide
geschlossenen Augenlider. Sie waren dunkelviolett, die Adern von der
Anstrengung geschwollen. Charlottes Atem war sehr
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