01 - Ekstase der Liebe
Charlotte. »Wie furchtbar!« Man las
natürlich über das Schicksal der französischen Aristokraten, aber es berührte
einen nicht so schmerzlich, bis man einen Vater sah, der ein Kind, das nicht
sein eigenes war, in den Armen hielt.
Alex
schwieg. Er war schon vorher zu demselben Schluss gekommen. Er und Lucien
hatten in der langen Bildergalerie in Sheffield House gefochten, Pippa in einer
behelfsmäßigen Wiege in einer Ecke versteckt. Wenn seine anderen männlichen
Freunde mit Pippa konfrontiert wurden, hatten sie einfach so getan, als
bemerkten sie sie nicht, oder sich (ohne Zweifel zu Recht) beschwert, dass sie
nicht hierher gehöre und sofort in das Kinderzimmer verfrachtet werden solle.
Lucien
äußerte sich in keine der beiden Richtungen, aber während einer Pause beugte er
sich über Pippas Wiege und erlaubte ihr, in seinen Fingerknöchel zu beißen.
Keiner von Alex' unverheirateten Freunden hätte das gewusst. Er selbst war erst
seit einem Monat Vater und wunderte sich immer wieder über die empörenden
Gewohnheiten, zu denen die Nähe zu Pippa führte - zum Beispiel, ihr zu
erlauben, an seiner Hand zu kauen.
»Ich
habe die Bediensteten angewiesen aufzuräumen«, sagte Alex mit seiner tiefen
Stimme. »Sollen wir es den anderen gleichtun und einen kleinen Spaziergang
machen?«
Charlotte
zögerte nur kurz, bevor sie zustimmte. Eine Weile schlenderten sie stumm
nebeneinanderher und blieben dann an ebendem Weidenteich stehen, an dem Will
vorher seinen unseligen Heiratsantrag gemacht hatte. Sie und Will hatten sich
spontan auf die bereitgestellte Bank gesetzt, doch mit Alex ließ sie sich ebenso
spontan am Ufer nieder. Charlotte dachte nicht darüber nach, dass sie ihrem
Kleid noch mehr Schaden zufügen würde. Sie saß steif da, die Arme um die Knie
geschlungen, und starrte auf das dunkelblaue Wasser.
Alex
legte sich zurück und bettete den Kopf auf die Arme. Er tat so, als schlösse er
die Augen, dabei beobachtete er Charlotte durch die gesenkten Wimpern. Sie saß
völlig reglos da. Von seiner Stellung auf dem Boden aus konnte er die sanfte
Krümmung ihres Rückens sehen, die zu ihrem wunderschönen Nacken führte, und
ihre langen, gebogenen Wimpern, die gegen ihre Wangen strichen. Es hatte keinen
Sinn zu ergründen, warum er sie so sehr begehrte. Es war einfach so, das war
alles. Und da er eine Frau brauchte, war der Zeitpunkt für diesen seltsamen
Anfall von Wolllust geradezu perfekt. Charlotte würde eine großartige,
dekorative Gräfin, eine wunderbare Bettgenossin und früher oder später auch
eine ausgezeichnete Mutter für Pippa abgeben.
Er
blickte sich um. Es war niemand in Sicht. »Ich nehme an«, begann ei; »Sie
müssen mich für sehr seltsam halten, weil ich Ihnen ohne Vorwarnung mein Kind
auf den Schoß gelegt habe.« Alex setzte sich auf. »Ja, sogar mehr als seltsam:
verdammt unverschämt. Ist dieses Kleid eine dieser legendären französischen
Kreationen?« Er strich mit der Hand über die Erdbeerflecken auf ihrem Knie.
Charlotte
hatte gerade über den Nachmittag nachgedacht und entschieden, dass sie es nicht
mochte, wenn man sie in eine peinliche Situation brachte.
»0
nein«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme. »Ich habe keinerlei Erwartungen an Ihr
Benehmen.«
»Touché!«,
rief Alex anerkennend.
»Lassen
Sie mich nachdenken«, fuhr Charlotte fort. »Sie haben unsere erste Begegnung
vollkommen vergessen, bei der Sie - nun ja, vergessen Sie das«, fügte sie
hastig hinzu. »Bei unserer zweiten Begegnung haben Sie meinen Rücken auf
äußerst unanständige Weise berührt und bei unserer dritten Begegnung haben Sie
Baron Holland angelogen, der offensichtlich Anspruch darauf hat, Ihr Freund
genannt zu werden, Sie haben sich die Teilnahme an diesem Picknick erschlichen,
sind plötzlich verschwunden, ohne uns Ihren französischen Freunden
vorzustellen, und haben mir schließlich ein schmutziges Kind auf den Schoß
geworfen. Ich bin sehr geneigt zu sagen«, schloss sie steif, »dass nichts, was
Sie tun, nicht unverschämt ist und dass es darum hoffnungslos wäre, von Ihnen
Höflichkeit zu erwarten!«
Alex
bemerkte dankbar, dass sie nichts über die Hand auf ihrem Knie sagte. »Sie
haben vollkommen Recht«, sagte er demütig.
Charlotte
sah ihn an. Seine Hand auf ihrem Bein glitt ein wenig höher.
»Sie
sind unausstehlich!«, rief sie und schüttelte seine Hand von den Knien.
Er
lachte. »Es gibt zwei Bereiche, in denen ich mich sehr unsicher fühle.« Er
ergriff eine ihrer Hände mit
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