01 - Ekstase der Liebe
Haar. »Ssch, Pippa.«
»Papa«,
schluchzte Pippa. »Papa.«
»Mein
Gott«, seufzte Alex, winkte der kleinen Gruppe zu und sagte sorglos: »Will,
spielst du bitte den Unterhalter? Ich werde mit diesem kleinen Fischköder etwas
spazieren gehen.« Er ging, ohne sich noch einmal umzusehen.
Charlotte
beobachtete verblüfft, wie der Graf hinter einer Wegbiegung verschwand. Das war
alles? Er machte sich einfach davon wie ein dahergelaufener Reitknecht? Sie
fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Bei Gott, sie war keine Magd, die
willenlos in seine Arme fiel, wenn er einen Finger hob!
»Nun«,
meinte Baron Holland, »ich würde wirklich gern >den Unterhalter spielen<,
wie Alex sich auszudrücken beliebt, aber ich hatte leider noch nicht das
Vergnügen.« Er sah die hübsche junge Frau, die gerade angekommen war, bewundernd
an.
Der
Gentleman neben ihr machte eine tiefe und elegante Verbeugung. »Ich, Sir, war
der Marquis de Valconbrass, aber«, er zuckte auf sehr französische Art die
Achseln, »Jetzt bin ich einfach Lucien Boch. Und das ist meine Schwester
Daphne.«
Daphne
sank in einem eleganten Knicks nieder. Sie war sehr jung, wahrscheinlich erst
sechzehn, und trug ihr Haar in einem Nackenknoten, was erkennen ließ, dass sie
bei Hofe vorgestellt worden war. In Charlottes Augen sah sie wie die klassische
Französin aus, mit feinen Gesichtszügen und einem festen, aber zarten Kinn. Sie
wirkte zugleich romantisch und ungeheuer pragmatisch. Ihr blondes Haar sah aus
wie gesponnenes Silber und glänzte in der Sonne. Von der Spitze ihres
Sonnenschirms bis zu dem unter ihrem modischen Kleid hervorlugenden rosa Schuh
war sie exquisit gekleidet.
Der
Baron verbeugte sich ebenso anmutig wie der Marquis. »Baron Holland, zu Ihren
Diensten«, sagte er fröhlich, »und das ist Lady Charlotte Daicheston, die
Tochter des Grafen von Calverstill. Es ist mir eine große Freude, Sie kennen zu
lernen.« Er hob Daphnes Hand an die Lippen.
Lucien
zuckte die Achseln und blickte in die Richtung, in die Alex verschwanden war.
»Sollen wir zu den Kutschen zurück gehen? Ich glaube, dort in der Nähe wird das
Picknick vorbereitet.«
Charlotte
spürte ein Lachen in sich aufsteigen. Das war alles so lächerlich! Sie befand
sich bei einem Picknick mit einem zurückgewiesenen Verehrer, der statt gekränkt
zu sein seine Aufmerksamkeit Daphne schenkte, einem weiteren möglichen Verehrer,
wenn sie Alex in Anbetracht seines gleichgültigen Benehmens überhaupt so nennen
konnte, und einem dritten Mann, den sie in ihrem Leben noch nie gesehen hatte.
»Sir«,
sagte sie zu Lucien, »da unser Gastgeber so launisch ist, warum sollten wir
nicht ebenso unberechenbar sein? Was mich betrifft, so würde ich sehr gern vor
dem Essen einen kleinen Spaziergang machen.«
Alex
erkannte sofort das Werk eines meisterhaften Gegners, als eine ganze Weile
später eine fröhliche Gruppe um die Ecke bog und auf das Picknick zuschritt,
das in der Sonne ausgebreitet lag. Vor etwa einer Stunde hatten seine Lakaien
Leinentischtücher in der Farbe feinsten Goldes ausgebreitet; mit seinem Wappen
bestickte Servietten lagen neben silbernem Geschirr und der Champagner wurde
ich den Kübeln mit geschmolzenem Eis langsam warm. Er lag ausgestreckt auf dem
Gras und sein Mund verzog sich unwillkürlich zu einem Lächeln, als er Charlotte
beobachtete, wie sie Lucien aufmerksam den Kopf zuwandte und mit leuchtenden
Augen über etwas lachte, das er gesagt hatte. Durchschaut, dachte Alex. In
meine eigene Grube gefallen! Dass wird mich lehren, noch einmal einer wütenden
Laune nachzugeben.
Er
erhob sich leichtfüßig. »Wie Sie sehen«, meinte er und lächelte zur Begrüßung,
»haben sich unsere Gemüter beruhigt und wir erwarten Sie.« Er deutete auf
Pippa, die fröhlich Gras ausrupfte, aber Charlotte musste die Lippen
aufeinander pressen, um nicht loszulachen. Zweifellos hatte er unsere ein wenig zu sehr
betont. Es herrschte einen Augenblick Stille, während sich alle auf den Tüchern
niederließen.
»Aha!«,
rief Will fröhlich. »Ich sehe, dass mein mageres Picknick durch königliche Kost
ergänzt wurde!«
Charlotte
versuchte herauszufinden, warum sie so selbstverständlich neben Alex
niedersank. Denk daran, ermahnte sie sich. Denk daran, wie er dich eben noch
behandelt hat. Mach dich nicht wieder zum Narren! Dennoch lief ihr bei der
leichtesten Berührung seiner Hand ein Schauder über den Rücken.
»Sir«,
sagte sie in leichtern und gleichmütigem Ton.
»Ich
wollte Ihnen
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