01 - Ekstase der Liebe
Insgeheim wusste sie, dass Alex möglicherweise nie wieder mit ihr
reden würde, wenn ihr Vater mit Alex sprach. Allein der Gedanke brach ihr
beinahe das Herz. Wie sollte sie einen Abend überstehen, wenn sie wusste, dass
er ihr nicht irgendwann mit seiner tiefen Stimme ins Ohr flüsterte? Wie sollte
sie ohne das Wissen tanzen, dass seine großen Hände irgendwann ihre ergreifen
oder gar ihre Hüfte umfassen würden, wenn ein Walzer gespielt wurde? Wenn sie
ganz ehrlich war, lebte sie in der Woche seit dem Picknick für die Augenblicke,
in denen er sich ihr näherte.
Wie
betäubt ging Charlotte zu Bett und begann zu weinen. Sie hatte ihrer Mutter
versprochen', Alex bei der ersten Gelegenheit davon in Kenntnis zu setzen, dass
ihre Eltern seinen Antrag niemals annehmen würden.
»Ich
kann das nicht einfach in aller Öffentlichkeit loswerden!«, hatte sie
trübsinnig eingewendet.
»Ich
weiß«, erwiderte ihre Mutter. »Wir wollen nur, dass du seinem Werben um dich so
bald wie möglich ein Ende setzt. Wir versuchen doch nur, deinen Ruf und dein
Glück zu bewahren, Liebling.«
In
dieser Nacht träumte Charlotte zum ersten Mal seit einer Woche nicht von
samtschwarzen Augen und verführerischen Händen. Sie starrte an die Decke, bis
das erste Glimmen des Morgengrauens durch die neuen Chenillevorhänge drang.
Schließlich drehte sie sich um und fiel in einen traumlosen Schlaf
Kapitel 8
Charlotte schlief
fast bis zwei Uhr nachmittags. Ihr Mädchen schlich mehrere Male ins Zimmer und
grübelte, ob sie die Vorhänge aufziehen und ihre Herrin wecken sollte. Aber
zwischen den leinenen Laken wirkte sie so blass und ihr Gesicht sah selbst im
Schlaf so betrübt aus, dass Marie schließlich zu dem Schluss kam, dass ihre
Herrin erkrankt war und es ihr gegönnt sein sollte, so lange zu schlafen wie
möglich.
Als
Charlotte aufwachte, lag sie einen Augenblick lang ruhig da, während ihr die
Einzelheiten des Gesprächs mit ihrer Mutter wieder in den Sinn kamen.
Schließlich streckte sie sich und zog an dem Klingelzug neben ihrem Bett.
Irgendwie erschien ihr die Situation bei Tageslicht nicht so tragisch. Sie
schwang die Beine über die Bettkante und starrte nachdenklich auf ihre Zehen.
Vielleicht
musste sie Alex nicht ganz aufgeben. Sie würde ihm die Situation erklären -
ihr Verstand ging der Frage, wie das vonstatten gehen sollte, schnell aus dem
Weg - und sie könnten weitermachen wie bisher, mit der Übereinkunft, dass
die Ehe nicht in Frage kam. Charlotte war sehr zufrieden mit dieser Idee.
Während sie mit den Zehen wackelte, stellte sie sich vor, wie sie in Alex'
Armen über die Tanzfläche glitt. Vielleicht würde sie ihn sogar auf dem
nächsten Ball zum Diner begleiten. Bis jetzt hatte sie dafür gesorgt, dass sie
bereits verabredet war, bevor er überhaupt erschien (er kam ausnahmslos zu
jedem Ball spät, im Falle des Balles im Almack kurz bevor die Türen geschlossen
wurden).
Als
Marie gefolgt von einem schnaufenden Lakaien mit einer Wanne voll heißen
Wassers erschien, war sie überrascht, eine leicht rosige, lächelnde Charlotte
vorzufinden, die vor sich hin summte.
»Ich
gehe heute Abend ins Theater, Marie«, sagte Charlotte. »Jetzt werde ich einen
Ausritt machen und dann zu Blackwell gehen und schauen, ob ich einen neuen
Roman finde.« Nicht dass sie wirklich Zeit zum Lesen gehabt hätte, aber sie
befand sich zwischen zwei Bildern. Wen sollte sie als Nächstes malen? Ihre
Gedanken verloren sich in einem angenehmen Tagtraum, in dem Alex auf der Couch
in ihrem Atelier saß. Sie würde sich über ihn beugen, um seinen Arm neu zu
arrangieren ... was der imaginäre Alex dann tat, färbte ihre Wangen von Rosig
zu Rot. Marie starrte sie verblüfft an.
»Und
nach der Buchhandlung«, fügte Charlotte hastig hinzu, »würde ich gern noch ein
Bad nehmen, Marie. Würdest du Monsieur Pamplemousse bitte eine Nachricht
zukommen lassen? Wenn er mir heute im Laufe des Abends seine Aufwartung machen
könnte, wäre ich sehr dankbar.«
Zwei
Bäder an einem Tag! Marie schüttelte heimlich den Kopf. Sie selbst hielt es für
mehr als genug, sich zweimal die Woche zu waschen. Wie ihre Mutter oft gesagt
hatte, führte zu häufiges Baden zu Wasser in der Lunge.
»Was
möchten Sie heute Abend tragen, Mylady?«, fragte sie.
Charlotte
streckte sich genüsslich in der großen Blechwanne aus. »Ich denke, ich werde
das schwarzweiße Abendkleid tragen. Du weißt, welches ich meine.«
Marie
nickte eifrig. Es war ihr Lieblingskleid unter
Weitere Kostenlose Bücher