01 - Geheimagent Lennet wird ausgebildet
verstehen, verstehen Sie bereits zu gut.«
Und der Hauptmann ging daran, dem Unteroffizier etwas in einer Sprache auseinanderzusetzen, die Lennet völlig unbekannt war.
Da bekam Lennet Angst. Eben in der eiskalten Ruhe dieser Männer spürte er eine Siegessicherheit, einen völligen Mangel an Bedenken und Hemmungen. Hätte man ihm Handschellen angelegt, hätte man ihn geschlagen, hätte man sich über ihn lustig gemacht, dann wäre die Ausbildung, die er an der FND-Schule erworben hatte, zum Zug gekommen. Er wußte, wie man sich verhält, wenn man in die Hände des Feindes gefallen ist. Er wußte es zumindest theoretisch. Aber hier in diesem Hubschrauber mit französischem Kennzeichen, der mit unbekanntem Ziel über das Meer flog, unter diesen Männern, die ihn nicht einmal verhörten und ihm geradeheraus sagten, daß sie die Absicht hätten, ihn für ihre Zwecke zu verwenden...?
Inzwischen war die Sonne aufgegangen. Lennet machte einen Schritt auf das Bullauge zu. Niemand hinderte ihn daran, hinauszuschauen. In der Ferne nahm man deutlich die Küste wahr, einen Hafen, grüne Wiesen, eine Straße... »Sagen Sie mir doch, meine Herren, wohin fliegen wir?«
Lennet hatte diese Frage im natürlichsten Ton der Welt gestellt, in der Hoffnung, die beiden würden sie ebenso unbefangen beantworten.
Sie schienen erstaunt zu sein, daß ihr junger Gefangener das Wort an sie zu richten wagte.
»Gestatten Sie mir eine kleine Frage", sagte endlich der Unteroffizier, der in derselben umständlichen Art wie der Hauptmann, aber mit schärferer Stimme sprach. »Haben Sie denn nicht die geringste Angst vor uns?«
Diese Höflichkeit, dieses angedeutete Lächeln, dieser eindringliche Blick... Lennet war alles andere als wohl zumute.
Doch er lächelte.
»Nicht so schlimm", erwiderte er. »Ich finde zwar, Sie haben richtige Galgengesichter, aber schließlich hat jeder Beruf seine Gefahren.«
Auf die beiden Fremden machten diese Worte nicht den geringsten Eindruck. Sie tauschten ein verstecktes Lächeln aus, als wollten sie sagen: Mit der Zeit wird man aus diesem Burschen etwas machen können.
Als sich der Hubschrauber über einem Wald befand, schickte er sich unvermittelt zur Landung an. Den Kopf ans Bullauge gepreßt, sah Lennet Laubbäume auf sich zukommen. Der Wind, den der Propeller des Hubschraubers erzeugte, schüttelte sie, beugte sie fast nieder... Zweige tauchten auf, dann Stämme. Ein Aufprall. Man war an Ort und Stelle - auf einer kleinen Lichtung. Lennets Gefährten stiegen ohne Hast aus, er folgte ihnen mit einem Sprung.
Der Unteroffizier sagte zu Lennet: »Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß wir uns hier auf Privatgrund befinden, der von einem elektrisch geladenen Drahtverhau umgeben ist. Kommen Sie mit.« An den Hauptmann gewandt fügte er hinzu: »Beeilen Sie sich, die Nachrichten zu übermitteln. Sechs Stunden sind seit dem Beginn des Programms verstrichen, eine Sendezeit haben wir bereits versäumt. Sie brauchen mindestens zwei, um das Ziel zu lokalisieren...«
Lennet tat so, als hätte er das nicht gehört, und versuchte, sich zu orientieren. Er befand sich inmitten einer von Ginster bewachsenen Lichtung. Zwischen den Bäumen nahm er ein tiefergelegenes steinernes Haus wahr, das ein Schindeldach trug.
Ein dumpfes Grollen, wie von einem Explosionsmotor stammend, ließ sich aus dieser Richtung vernehmen, sobald der Hubschrauber wieder aufgestiegen war. Dorthin entfernte sich auch der Hauptmann, nachdem er einige unverständliche Worte mit seinem Kameraden ausgetauscht hatte.
Dann nahm der Unteroffizier Lennet am Arm und führte ihn in den Wald.
Zwanzig Meter weiter blieb er stehen.
Eine große, kreisförmige Betonplatte tauchte mitten unter dem Ginster auf, in ihrem Mittelpunkt ein schwarzes Loch von unbestimmter Tiefe.
»Springen Sie da hinein!« forderte ihn der Unteroffizier ohne Umschweife auf.
Lennet blickte in das Loch und sah nur Finsternis.
»Entschuldigen Sie", sagte er. »Ich bin in Froschmannausrüstung, nicht in der eines Fallschirmspringers.«
»Keine Kindereien, bitte", sagte der Unteroffizier in sanftem Ton und zog die Pistole. Lennet blieb keine andere Wahl. Er sprang. Aber noch nie in seinem Leben war ihm so unbehaglich zumute gewesen. Wie tief war wohl der Schacht? Was würde er auf seinem Grunde vorfinden? Wasser? Steine? Ein Schlangennest?
» Keine Kindereien, bitte", sagte der Unteroffizier
Zum Glück währte seine Angst nicht lange. Kaum war er ins Leere gesprungen,
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