01 - Geheimagent Lennet wird ausgebildet
die jungen Leute einander kaum sehen. Lennet unterschied bloß Corinnas glänzende Augen, die das fahle Licht der Luke widerspiegelten.
»Ich verspreche es", flüsterte sie.
Wenige Augenblicke später befand Lennet sich auf Deck.
Eine laue Brise strich über sein Gesicht. Der mondlose Himmel erglänzte im Licht all seiner Sterne. Das Meer plätscherte nur ganz sacht. Man hörte das dumpfe Grollen der »Napoleon".
Lennet betrat die Leiter, auf der er Corinna überrascht hatte, und kletterte rasch hinab.
Im Augenblick, da er sich ins Wasser schwang, befielen ihn Zweifel.
War es vernünftig, nun, da er Madame Ruggieros Falle durchschaute, ins Wasser zu gehen? Wäre es nicht klüger, von Oberst Moriol oder von Hauptmann Montferrand eine Bestätigung ihrer Order zu verlangen?
Andererseits: Wenn er sich täuschte, wie lächerlich würde er sich dadurch machen, daß er ein anerkanntes Mitglied des FND
des Verrats bezichtigte? War der FND denn schließlich nicht eine militärische Institution? Hieß es nicht in der Dienstvorschrift, daß man zuerst zu gehorchen habe, dann erst zu reden?
Platsch!
Lennet ging ins Wasser, sein ganzes Gewicht auf den sorgfältig aufgeblasenen Schwimmgürtel verteilend. Mit einem Fußtritt stieß er sich kräftig vom Schiffsrumpf ab.
Auf dem Rücken liegend sanft von den Wellen gewiegt, den Kopf auf dem Schwimmgürtel, der sich als ein recht bequemes Polster entpuppte, den leichten Sender auf der Brust, fühlte Lennet sich außerordentlich wohl. Er lachte vor sich hin, allein in der nächtlichen Stille.
Die »Napoleon" war jetzt nur noch ein Schatten, von einigen gelben Löchern durchbohrt. Bald darauf gab es nichts mehr zu sehen. Lennet schaltete den Sender ein und harrte der kommenden Dinge.
Gefangen
Die Sterne waren bereits vom Himmel verschwunden.
Lennet wurde allmählich die Zeit lang. Ungereimte Ideen formten sich in seinem Hirn: Hatte man ihn vergessen? Oder verloren? War der Sender am Ende kaputt?
Da näherte sich, von Westen kommend, ein schwarzer Punkt, der geradewegs auf Lennet zuhielt.
Der Punkt wurde rasch zu einem Hubschrauber; er brummte wie eine Hummel.
Einige Minuten später hing er fünf Meter über Lennet in der Luft. Eine Tür öffnete sich, eine Strickleiter wurde entrollt.
Lennet brauchte nur den Arm auszustrecken, um die letzte Sprosse zu erfassen. Und das tat er, ohne Zeit zu verlieren.
Er hatte einen zivilen Hubschrauber erwartet, dieser da aber war khakifarben und trug das französische Kennzeichen.
Lennet erklomm die Strickleiter, die im Wind schwankte.
Zwei Männer in Drillichanzügen halfen ihm einzusteigen, indem sie ihn unter den Achseln packten. Der eine der beiden trug die Tressen eines Unteroffiziers, der andere die eines Hauptmanns.
»Paul Armand, Herr Hauptmann", stellte sich Lennet vor und nahm inmitten einer Wasserlache Habtachtstellung ein. »Ich habe Ihnen eine Nachricht zu übergeben.«
Der Mann streckte die Hand aus. Lennet drückte sie freundschaftlich, begriff aber sofort, daß er einen Schnitzer gemacht hatte: Der Offizier wollte die Papiere, sonst nichts.
Der Unteroffizier hatte die Strickleiter eingezogen und die Tür wieder verschlossen; der Pilot lenkte den Hubschrauber aufwärts. Lennet zog das wasserundurchlässige Paket aus der Tasche und reichte es dem Hauptmann, der recht ungeduldig schien und noch immer kein Wort sprach.
Der Offizier ergriff das Paket und zerriß den Umschlag. Er prüfte den Inhalt, dann gab er Lennet mit dem Daumen ein Zeichen, sich auf eine Bank zu setzen.
»Sagen Sie, könnte ich mich vielleicht umkleiden?« fragte Lennet. »Diese enge Gummikombination...«
Hauptmann und Unteroffizier wechselten einen Blick.
»Diese Franzosen haben keinen Respekt vor dem Rang", sagte der Hauptmann, dem die Aussprache einige Schwierigkeiten bereitete. Er wandte sich Lennet zu und faßte ihn mit einer Mischung von Widerwillen und Bewunderung ins Auge. Dann sagte er langsam und seine Worte suchend: »Ihre Vorgesetzten schreiben mir, Armand, daß Sie ein ganz ungewöhnlicher Mensch sind und daß es in unserem Interesse liegt, den Versuch zu machen, Sie für uns einzusetzen... Sonst befänden Sie sich schon seit drei Minuten von neuem im Meer, aber ohne Schwimmgürtel! Zeigen Sie sich also klug und vernünftig und machen Sie sich wegen Ihres Anzugs keine Sorgen.«
»Ich verstehe Sie nicht ganz", erwiderte Lennet. »Möchten Sie vielleicht die Güte haben, mir Genaueres zu sagen?«
»Wenn Sie mich nicht ganz
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