01 - Gnadenlos
Tisches Probleme ersparte. Zacharias hatte womöglich viele Vietnamesen auf dem Gewissen - keine Bauern, sondern versierte, in Rußland ausgebildete Raketentechniker -, und wahrscheinlich würde ihn die Regierung dieses Landes gern dafür bestrafen. Doch das sollte nicht seine Sorge sein, und er mußte verhindern, daß politische Überlegungen seinen beruflichen Verpflichtungen in die Quere kamen. Seine Aufgabe beinhaltete den anspruchsvollsten und ohne Zweifel komplexesten Aspekt nationaler Verteidigung. Es war seine Pflicht, den Angriff auf Hunderte von Flugzeugen zu planen, die alle von einem Team geschulter Spezialisten geflogen wurden. Deshalb war es ebenso wichtig, ihre Denkweise, ihre taktischen Leitlinien zu kennen wie ihre Absichten. Und wenn es nach ihm ging, konnten die Amerikaner so viele von den braunen Bastarden umbringen, wie sie wollten. Diese widerlichen kleinen Faschisten hatten mit der politischen Philosophie seines Landes soviel gemein wie ein Kannibale mit einem Drei-SterneKoch.
»Colonel, versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen« sagte Grischanow geduldig. Er legte das neu eingetroffene Dokument auf den Tisch. »Ich habe Ihre Arbeit letzte Nacht gelesen. Sie ist ausgezeichnet.«
Der Russe wandte den Blick keinen Moment von Colonel Zacharias ab. Die körperliche Reaktion des Amerikaners war erstaunlich. Obwohl Grischanow selbst beinahe ein Geheimdienstoffizier war, hätte er sich nie träumen lassen, daß jemand in Vietnam Meldung nach Moskau machen würde und von dort aus über amerikanische Gefolgsleute diese Arbeit zutage gefördert werden konnte. Zacharias' Gesicht spiegelte seine Gedanken wider. Wie kommt es, daß sie soviel über mich wissen? Wie konnten sie Dinge ausgraben, die so weit zurücklagen. Wer war zu so etwas in der Lage? War tatsächlich irgend jemand so versiert? Die Vietnamesen waren doch Trottel! Wie viele russische Offiziere hatte sich Grischanow gewissenhaft und ausführlich mit Militärgeschichte beschäftigt. Während der Wartezeiten im Bereitschaftsraum seines Regiments hatte er alle Arten von Geheimmaterial gelesen. Aus einem Dossier, das er nie vergessen würde, hatte er gelernt, auf welche Weise Hitlers Luftwaffe gefangengenommene Flieger verhört hatte, und dieses Wissen wollte er jetzt hier einsetzen. Während körperliche Mißhandlungen den Widerstand dieses Mannes verstärkt hatten, wurde er durch einen einfachen Stapel Papiere bis ins Mark erschüttert. Ein jeder Mann hatte seine Schwächen und seine Stärken. Und man mußte über eine gewisse Intelligenz verfügen, um sich entsprechend auf ihn einzustellen.
»Wieso ist es nicht geheim?« fragte Grischanow, während er sich eine Zigarette anzündete.
»Das ist doch nur theoretische Physik«, meinte Zacharias und zuckte die mageren Achseln. Seine Verzweiflung konnte er damit allerdings nicht ganz verbergen. »Am meisten hat sich ohnehin nur die Telefongesellschaft dafür interessiert.«
Grischanow stubste mit dem Finger auf die Arbeit. »Also, ich muß sagen, ich habe letzte Nacht einiges daraus gelernt... Man kann auf diese Weise eine Route planen, Manöver ausarbeiten, indem man sich von einem dieser Punkte zum nächsten vorarbeitet. Einfach genial! Erzählen Sie mal, wie sieht es in Berkeley aus?«
»Es ist eine normale Universität, nur eben im kalifornischen Stil«, antwortete Zacharias, bevor ihm bewußt wurde, was er tat. Er hatte angefangen zu reden. Und er durfte nicht reden. In der Ausbildung hatte er gelernt, daß er nicht reden sollte. Er hatte auch gelernt, was er zu erwarten hatte und was im Rahmen des Erlaubten lag, wie er ausweichen und sich verstellen konnte. Doch jene Ausbildung hatte das hier nicht vorgesehen. Wie war er müde! Er hatte Angst und die Nase voll davon, nach einem Verhaltenskodex zu leben, um den sich doch niemand scherte.
»Ich weiß nur wenig von Ihrem Land - außer den beruflichen Dingen natürlich. Sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen groß? Sie beispielsweise kommen aus Utah. Wie ist es dort?«
»Zacharias, Colonel Robin G. -«
Grischanow hob die Hände. »Bitte, Colonel. Das weiß ich doch schon! Ich kenne nicht nur Ihr Geburtsdatum, sondern auch Ihren Geburtsort. In der Nähe von Salt Lake City gibt es keinen Luftwaffenstützpunkt. Ich beziehe mein ganzes Wissen über Ihr Land nur aus den Karten. Ich werde diesen Teil - oder überhaupt irgendeinen Teil - wahrscheinlich nie kennenlernen. In Kalifornien, dort, wo Berkeley liegt, ist es da
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