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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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weißen Hochzeitskleid am Arm hielt. Andere Aufnahmen ergaben eine Chronik des Ehelebens von Kenneth und Gloria Boyd. Zwei Töchter und ein Sohn, eine Reise ans Meer, ein alter Wagen, Enkel, alles, was zu einem ausgefüllten und strebsamen Leben dazugehörte.
    »Hier, bitte.« Sie gab ihm ein Glas.
    »Danke schön. Was hat Ihr Mann gemacht?«
    »Er hat zweiundvierzig Jahre für das Handelsministerium gearbeitet. Wir wollten schon nach Florida ziehen, aber da ist er krank geworden, und nun gehe ich allein dorthin. Meine Schwester lebt in Fort Pierce, sie ist auch Witwe, ihr Mann war Polizist... « Ihre Stimme verklang. Als die Katze hereinkam, um den neuen Besucher zu mustern, schien das Mrs. Boyd wieder zu beleben. »Ich werde nächste Woche dorthin ziehen. Das Haus ist bereits verkauft, nächsten Donnerstag muß ich raus. Ich habe es einem netten jungen Arzt verkauft.«
    »Hoffentlich gefällt es Ihnen dort unten, Madam. Wieviel möchten Sie für das Auto?«
    »Ich kann wegen meiner Augen nicht mehr fahren. Grauer Star. Ich muß überall hingefahren werden. Mein Enkel sagt, es sei eintausendfünfhundert Dollar wert.«
    Dein Enkel muß Anwalt sein bei der Geldgier, dachte Kelly. »Wie wär's mit zwölfhundert? Ich kann bar zahlen.«
    »Bar?« Ihre Augen bekamen wieder diesen entrückten Schimmer.
    »Ja, Madam.«
    »Dann können Sie den Wagen haben.« Sie hielt Kelly die Hand hin, und Kelly ergriff sie vorsichtig.
    »Haben Sie die Papiere?« Kelly fühlte sich schuldig, daß sie wieder aufstehen mußte, diesmal, um langsam nach oben zu gehen, wobei sie sich am Geländer festhielt. Inzwischen zückte Kelly seine Brieftasche und zählte zwölf druckfrische Scheine ab.
    Es hätte nun eigentlich nicht mehr als zehn Minuten dauern sollen, aber am Ende wurden dreißig daraus. Kelly hatte sich schon erkundigt, wie der Fahrzeugschein umgeschrieben wurde, und im übrigen würde er sich das alles sowieso schenken. Die Versicherungskarte steckte im gleichen Pappumschlag wie der Fahrzeugschein, ausgestellt auf Kenneth W. Boyd. Kelly versprach, sich an ihrer Stelle darum zu kümmern, und natürlich auch um das Nummernschild. Doch es stellte sich heraus, daß all das Bargeld Mrs. Boyd nervös machte, und so half Kelly ihr, einen Einzahlungsschein auszustellen, und fuhr sie auch gleich noch zur Bank, wo sie alles in den Nachttresor einwerfen konnte. Dann fuhr er noch beim Supermarkt vorbei, damit sie Milch und Katzenfutter einkaufen konnte, bevor er sie schließlich nach Hause brachte und wieder bis zur Haustür führte.
    »Vielen Dank für das Auto, Mrs. Boyd«, sagte er zum Abschied.
    »Wofür werden Sie es brauchen?«
    »Beruflich.« Kelly lächelte und ging.
    Um Viertel nach neun in jener Nacht fuhren zwei Autos auf den Rastplatz des Interstate 95. Der vordere war ein Dodge Dart, und der hintere ein roter Plymouth Roadrunner. Hintereinander steuerten sie einen halbvollen Parkplatz nördlich des Maryland House an, einer Raststätte auf halbem Weg zum John F. Kennedy Airport, mit einer Tankstelle und einem richtigen Gasthaus, wo es guten Kaffee, aber wie üblich keine alkoholischen Getränke gab. Der Dart kurvte ein paarmal um den Parkplatz, bis er drei Buchten entfernt von einem weißen Oldsmobile mit einem Nummernschild aus Pennsylvania und braunem Dach einparkte. Der Roadrunner schob sich in eine Lücke in der nächsten Reihe. Eine Frau stieg aus und stiefelte auf das Backsteinrestaurant zu. Auf diesem Weg mußte sie am Oldsmobile vorbei.
    »Hey, Baby«, sagte ein Mann. Die Frau hielt inne und trat ein paar Schritte auf das Auto mit dem Vinyldach zu. Der Mann war ein Weißer mit langem, aber sauber gekämmtem Haar und einem halboffenen weißen Hemd.
    »Henry hat mich geschickt«, sagte sie.
    »Ich weiß.« Er streckte die Hand aus, um ihr das Gesicht zu streicheln, wogegen sie sich nicht wehrte. Er blickte sich kurz um, bevor er die Hand tiefer gleiten ließ. »Hast du, was ich will, Baby?«
    »Ja.« Sie lächelte. Es war ein gezwungenes, unbehagliches Lächeln, eingeschüchtert, aber nicht verlegen. Doris wußte schon lange nicht mehr, was Verlegenheit war.
    »Nette Titten«, sagte der Mann ohne auch nur einen Hauch von Gefühl in der Stimme. «Hol das Zeug.«
    Doris ging wieder zu ihrem Auto, als hätte sie etwas vergessen. Sie kehrte mit einer großen Tasche zurück, eigentlich fast ein Seesack. Als sie am Oldsmobile vorbeiging, streckte der Mann die Hand heraus und nahm sie ihr ab. Doris ging weiter in das Gebäude hinein

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