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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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lächelte zufrieden, während er unter den Sternen dahinsegelte, die ihr Licht aus so riesigen Entfernungen zu ihm herunterschickten, daß es schon lange vor seinem oder sogar vor Vergils Geburt seine Reise angetreten haben mußte.
    Die Pillen halfen, die Realität auszuschalten, aber eben nicht ganz. Der Gedanke war Doris eigentlich nicht bewußt, er schien vielmehr wie eine Stimme, ein Gefühl, wie etwas, das sich hartnäckig im Hintergrund hält, auch wenn man es noch so sehr zu verdrängen sucht. Sie war schon zu abhängig von den Barbituraten. Es fiel ihr schwer einzuschlafen, und in der Leere des Zimmers gab es keine Ausflucht vor ihren Gefühlen. Sie hätte noch mehr Pillen genommen, wenn sie gekonnt hätte, aber sie bekam von ihnen nie, was sie wollte. Dabei wollte sie doch nur so wenig. Nur ein kurzes Vergessen, eine vorübergehende Befreiung von ihrer Angst, das war alles - aber genau das wollten sie ihr bewußt nicht gewähren. Sie bekam mehr mit, als sie wußten oder erwartet hatten, sie sah ihre Zukunft vor sich, aber das hatte wenig Tröstliches. Früher oder später würde die Polizei sie schnappen. Doris war schon öfter verhaftet worden, aber nicht wegen so einer großen Sache. Dafür würde sie lange Zeit hinter Gittern verschwinden. Die Polizei würde versuchen, sie zum Sprechen zu bringen, ihr Schutz versprechen. Aber Doris wußte es besser. Zweimal schon hatte sie Freundinnen sterben sehen. Freundinnen? So weit es eben ging; Frauen, mit denen sie reden konnte, die ihr Leben teilten, so wie es nun mal war, denn selbst in dieser Gefangenschaft gab es kleine Freuden, kleine Siege, die wie ferne Lichter an einem düsteren Himmel auftauchten. Frauen, die mit ihr weinten. Aber zwei von ihnen waren tot, und sie hatte ihrem Sterben zugesehen, vollgepumpt mit Drogen, aber dennoch unfähig einzuschlafen und das Gesehene einfach auszublenden. Das Entsetzen war so ungeheuer, daß es gefühllos machte. Ihre Augen zu sehen, ihre Schmerzen, alles mitzufühlen und zu wissen, daß sie nichts tun konnte und die andere da vorne das ebenso wußte wie sie. Ein Alptraum war schon schlimm genug, aber er ließ sich wenigstens nicht mit Händen greifen. Man konnte aufwachen und ihm entfliehen. Dem hier aber nicht. Sie konnte sich von außen beobachten, als wäre sie ein hilfloser Roboter, der von anderen gesteuert wurde. Ihr Körper rührte sich nicht, wenn nicht andere es ihm befahlen. Sie mußte selbst ihre Gedanken geheimhalten, ja, sie fürchtete sich sogar davor, sie in ihrem Kopf laut werden zu lassen, damit die anderen sie nicht hören oder von ihrem Gesicht ablesen konnten. Jetzt aber konnte sie machen, was sie wollte, die Gedanken ließen sich nicht mehr verscheuchen.
    Rick lag in langen Zügen atmend neben ihr in der Dunkelheit. Etwas in ihr mochte Rick. Er war der freundlichste von allen, und weil er sie nicht so schlimm verprügelte, ließ sie sich manchmal zu dem Gedanken verleiten, daß er sie mochte, wenigstens ein bißchen. Sie durfte aber natürlich nicht aus der Reihe tanzen, denn er konnte genauso wütend werden wie Billy, und so strengte sie sich ungeheuer an, ihm alles recht zu machen. Irgendwo tief im Innern wußte sie, wie dumm das war, aber ihre Realität wurde nun einmal von anderen Leuten bestimmt. Und sie hatte gesehen, was dabei herauskam, wenn eine von ihnen wirklich Widerstand leistete. Nach einer besonders schlimmen Nacht hatte Pam sie in die Arme genommen und ihr flüsternd anvertraut, daß sie fliehen wollte. Später hatte Doris gebetet, daß Pams Flucht gelingen möge und es vielleicht trotz allem noch einen Funken Hoffnung gab, und alles nur, um mitansehen zu müssen, wie ihre Freundin wieder angeschleppt und langsam zu Tode gequält wurde, während sie in nur fünf Metern Entfernung hilflos dasaß und zusah, wie sie Pam alle Grausamkeiten antaten, die ihnen nur in den Sinn kamen. Wie ihr Leben endete, ihr Körper sich aufbäumte, als sie keine Luft mehr bekam, der Mann sie anstarrte und ihr aus wenigen Zentimetern Entfernung ins Gesicht lachte. Ihr einziger Widerstand, und der war glücklicherweise von den Männern unbemerkt geblieben, hatte darin bestanden, daß sie ihrer Freundin das Haar bürstete, wobei sie unentwegt weinte und hoffte, Pam würde spüren, daß es jemanden gab, der etwas für sie empfand, selbst noch im Tod. Aber noch während sie es tat, war es Doris wie eine leere Geste erschienen, und sie hatte deshalb nur um so bitterer geweint.
    Was hatte sie nur falsch

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