Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
hielt inne. »Nein, sechssechzig, nehmen wir gleich drei Monate, wenn es Ihnen recht ist. Und ich brauche eine Quittung.« Der hilfreiche Verwalter zog einen Block aus seiner Tasche und stellte sofort eine aus. »Wie ist es mit Telefon?« fragte Kelly.
    »Das kann ich bis Dienstag regeln, wenn Sie wünschen. Dafür brauche ich aber einen weiteren Vorschuß.«
    »Kümmern Sie sich bitte darum, wenn es geht.« Kelly reichte ihm noch mehr Geld. »Meine Sachen habe ich noch nicht mit; wo kann ich denn Bettzeug und so bekommen?«
    »Heute ist nicht viel offen. Morgen jede Menge.«
    Kelly tat einen Blick durch die Schlafzimmertür auf die blanke Matratze. Schon aus dieser Entfernung konnte er die Dellen sehen. Er zuckte die Achseln. »Na ja, ich hab schon auf Schlimmerem geschlafen.«
    »Veteran?«
    »Marine«, sagte Kelly.
    »War ich auch mal«, erwiderte der Verwalter, womit er Kelly überraschte. »Sie machen keine verrückten Sachen, oder?« Er erwarte das nicht, aber der Besitzer bestehe darauf, daß er es fragte, auch ehemalige Marineangehörige. Die Antwort bestand aus einem einfältigen, besänftigenden Grinsen.
    »Es heißt, ich schnarche ziemlich furchtbar.«
    Zwanzig Minuten später befand sich Kelly in einem Taxi in Richtung Innenstadt. Er stieg am Bahnhof aus und nahm den nächsten Zug nach Washington, D.C., wo ein weiteres Taxi ihn zu seinem Boot beförderte. Bei Einbruch der Nacht steuerte die Springer bereits den Potomac hinab. Es wäre alles so viel leichter gewesen, sagte sich Kelly, wenn er bloß einen Helfer gehabt hätte. Soviel Zeit ging mit nutzlosem Herumfahren drauf. Aber war es denn wirklich nutzlos? Vielleicht nicht. Dabei blieb viel Zeit zum Nachdenken, und das war ebenso wichtig wie sein körperliches Training. Nach sechs mit Denken und Planen ausgefüllten Stunden kam Kelly kurz vor Mitternacht zu Hause an.
    Auch nach einem Wochenende, an dem er fast rund um die Uhr auf den Beinen gewesen war, blieb keine Zeit zum Trödeln. Kelly packte seine Kleidung ein; das meiste hatte er in den Vorstädten Washingtons gekauft. Bettzeug würde er in Baltimore besorgen. Essen genauso. Seine .45er Automatik und der Umbausatz von 22 auf 45 mm wurden mit der alten Kleidung zusammengepackt dazu noch zwei Schachteln Munition. Mehr sollte er wohl nicht brauchen, dachte Kelly, und Munition war schwer. Während er einen weiteren Schalldämpfer fabrizierte, diesmal für die Woodsman, dachte er seine Vorbereitungen noch einmal durch. Er befand sich in ausgezeichneter körperlicher Verfassung, beinahe so gut wie zu seiner Zeit im 3. Sondereinsatzkommando, und er hatte täglich Schießen geübt. Seine Zielgenauigkeit war wahrscheinlich besser denn je, sagte er sich, während er die verschiedenen mechanischen Handbewegungen an den Werkzeugmaschinen durchführte, die ihm mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen waren. Bis drei Uhr früh war der neue Schalldämpfer an der Woodsman befestigt und getestet. Eine halbe Stunde später war er wieder an Bord der Springer mit Kurs nach Norden und freute sich darauf, ein paar Stunden zu schlafen, sobald Annapolis hinter ihm lag.
    Es war eine einsame Nacht mit vereinzelten Wolken, und er träumte ein wenig vor sich hin, bis er sich selbst wieder zur Ordnung rief. Er war nun kein fauler Zivilist mehr, aber Kelly genehmigte sich trotzdem sein erstes Bier nach Wochen, während er im Geist verschiedenes abhakte. Was hatte er vergessen? Die beruhigende Antwort lautete, daß er sich auf nichts besinnen konnte. Das einzige, was ihn etwas unsicher machte, war sein geringes Wissen. Billy mit seinem roten Angeber-Plymouth. Ein Schwarzer namens Henry. Er kannte ihr Operationsgebiet. Und das war auch schon alles. Aber?
    Aber er hatte schon mit weniger Vorwissen gegen bewaffnete und gut ausgebildete Feinde gekämpft, und auch wenn er sich zwingen müßte, nun genauso sorgfältig zu sein wie dort, wußte er tief im Innern, daß er diesen Auftrag erfolgreich durchführen würde. Einesteils, weil er ihnen körperlich überlegen war - und bei weitem motivierter. Zum anderen, erkannte Kelly überrascht, weil er sich nicht um die Folgen scherte, nur um die Ergebnisse. Ihm fiel etwas aus seiner katholischen College-Vorbereitungsschule ein, eine Stelle aus Vergils Äneis, die seinen Auftrag schon fast zweitausend Jahre zuvor umrissen hatte: Una salus victus nullam sperare salutem. Das einzige Heil der Besiegten ist es, nicht auf Sicherheit zu hoffen. Was für ein unbarmherziger Gedanke. Kelly

Weitere Kostenlose Bücher