Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
andere Möglichkeit gab es nicht -, und einige richteten ihren Blick auf den Hügel knapp einen Kilometer von der Anlage entfernt. Von dort aus konnte man alles überblicken. Nach einer Begrüßungsrede teilten sich die Männer für das Waffentraining in schon vorher bestimmte Einheiten auf. Anstelle der M16A1-Gewehre hatten sie Car-15, die kürzeren, handlicheren Karabiner, die sie für den Nahkampf vorzogen. Die Grenadiere waren mit M-79-Granatwerfern ausgerüstet, deren Visiere mit radioaktivem, im Dunkeln leuchtendem Tritium bemalt waren. Ihre Patronengurte waren mit Übungsmunition gefüllt, weil das Training an den Waffen unverzüglich beginnen sollte. Damit sie sich an die Gegebenheiten gewöhnen konnten, fingen sie bei Tageslicht an, doch demnächst würden sie nur noch nachts trainieren. Das hatte ihnen der General zwar noch nicht mitgeteilt, aber sie konnten es sich schon denken. Ein derartiger Einsatz fand immer nachts statt. Die Soldaten marschierten zum nächsten Schießstand, um sich mit den Waffen vertraut zu machen. Zu diesem Zweck waren bereits Fensterrahmen aufgestellt worden, sechs an der Zahl. Die Grenadiere blickten sich an und feuerten ihre erste Salve ab. Zu seiner Schande verfehlte einer das Ziel. Nachdem sich die anderen fünf vergewissert hatten, daß die weiße Rauchwolke ihrer Trainingsmunition hinter den Fensterrahmen aufgetaucht war, fielen sie über ihn her.
    »Ist ja gut, ist ja gut. Ich muß erst mal auf Touren kommen«, sagte der Corporal abwehrend. Dann setzte er innerhalb von vierzig Sekunden fünf Schüsse durchs Ziel. Er war heute ein wenig langsam - aber schließlich hatte er in der Nacht auch kaum geschlafen.
    »Wie stark muß man sein, um das hinzukriegen?« fragte Ryan.
    »Nicht unbedingt ein Schwergewichtler«, bemerkte der Gerichtsmediziner. »Das Messer hat die Spinalnerven genau an der Stelle durchtrennt wo sie in das verlängerte Rückenmark münden. Der Tod trat auf der Stelle ein.«
    »Dabei hatte er den Jungen doch schon verletzt. Ist die Schulter so schwer geschädigt, wie sie aussieht?« fragte Douglas, der zur Seite trat, um einen Fotografen nicht bei seiner Arbeit zu behindern.
    »Wahrscheinlich sogar schlimmer. Wir sehen es uns noch genauer an, aber ich vermute, das Gelenk ist völlig zerstört. Eine solche Verletzung kann man nicht mehr heilen, jedenfalls nicht mehr vollständig. Schon bevor er erstochen wurde, hätte er keinen Baseball mehr abschlagen können.«
    Weiß, vierzig oder älter, langes schwarzes Haar, gedrungen, schmutzig. Ryan sah in seine Notizen. »Sie können nach Hause gehen, Madam«, hatte er zu Virginia Charles gesagt.
    Madam.
    »Als sie fortging, war unser Opfer noch am Leben.« Douglas stellte sich neben seinen Lieutenant. »Er muß ihm dann das Messer abgenommen und zugestochen haben. In der letzten Woche haben wir vier perfekt ausgeführte Morde und sechs Opfer gehabt, Em.«
    »Und vier unterschiedliche Vorgehensweisen. Zwei waren gefesselt, wurden beraubt und dann hingerichtet. .22er Revolver und kein Anzeichen für einen Kampf. Einer mit einem Schuß in die Innereien, gleichfalls ausgeraubt und ohne eine Chance, sich zu wehren. Letzte Nacht zwei erschossen, womöglich wieder mit einem .22er, aber diesmal weder gefesselt noch ausgeraubt. Sie waren alarmiert, bevor sie von den Kugeln getroffen wurden. Und immer waren es Dealer. Aber dieser Junge ist ein einfacher Straßenräuber. Nicht das gleiche Kaliber, Tom.« Doch der Lieutenant war mittlerweile nachdenklich geworden. »Haben wir ihn schon identifiziert?«
    Der Streifenpolizist antwortete. »Ein Junkie. Hat ein hübsches Vorstrafenregister. Sechs Festnahmen wegen Raub. Der Himmel allein weiß, was er sonst noch angestellt hat.«
    »Irgendwie paßt das nicht zusammen«, sagte Ryan. »Das paßt ganz und gar nicht. Wenn dieser Kerl tatsächlich so klug ist, warum hat er sich dann gezeigt? Warum hat er die Frau gehen lassen, warum hat er mit ihr gesprochen - warum hat er diesen Jungen hier überhaupt fertiggemacht? Paßt das in irgendein Schema?« Aber es gab kein Schema. Sicher, zweimal waren zwei Drogendealer mit .22ern niedergestreckt worden, doch dieses Kleinkaliber war die gebräuchlichste Waffe auf der Straße. Zwei waren ausgeraubt worden, die anderen jedoch nicht; die anderen zwei waren auch nicht mit der gleichen tödlichen Präzision hingerichtet worden wie die ersten, obwohl auch sie zwei Einschüsse aufwiesen. Der einzelne ausgeraubte Dealer war einem Schuß aus einer

Weitere Kostenlose Bücher