01 - Gnadenlos
Leben gern Detektiv. »Bis zu diesem Fall -« er klopfte mit der Pfeife auf das Foto vom letzten Tatort - »hatten Sie wirklich nicht viel in der Hand. Aber durch das hier wird auch alles Frühere klar. Ihr Verdächtiger kennt sich mit Waffen aus. Er hat eine Menge Geduld. Er ist ein kluger Stratege. Wie ein Jäger auf der Jagd pirscht er sich an sein Opfer heran. Er ändert seine Vorgehensweise, um Sie in die Irre zu fuhren. Aber heute hat er einen Fehler gemacht. Heute ließ er sich erneut ein wenig von seiner Wut überwältigen, denn er hat bewußt ein Messer eingesetzt. Und dann läßt er Rückschlüsse auf seine Ausbildung zu, indem er die Waffe direkt nach der Tat reinigt.«
»Aber Sie halten ihn nicht für verrückt.«
»Nein, ich bezweifele, daß er im klinischen Sinne gestört ist, aber ganz bestimmt gibt es etwas, was ihn antreibt. Derartige Leute sind höchst diszipliniert, vergleichbar mit Ihnen und mir damals. Seine Vorgehensweise wird bestimmt von seiner Disziplin – doch in seiner Motivation zeigt sich seine Wut. Irgendwas hat den Mann zu diesen Taten veranlaßt.«
»Madam«
Farber richtete sich auf. »Genau! Ausgezeichnet! Warum hat er sie nicht unschädlich gemacht? Sie ist die einzige Zeugin, die wir haben. Er hat sie höflich behandelt und sie gehen lassen... interessant... aber nicht ausreichend, um uns wirklich weiterzubringen.«
»Außer der Erkenntnis, daß er nicht zum Spaß tötet.«
»Richtig.« Farber nickte. »Er tut nichts ohne Grund, und er hat eine fundierte Spezialausbildung, die ihm bei seiner Mission von Nutzen ist. Denn um eine Mission handelt es sich hier. Das ist eine äußerst gefährliche Katze, die da durch die Straßen schleicht.«
»Es geht ihm um die Drogendealer, das ist ganz offensichtlich«, erklärte Ryan. »Der eine - oder die zwei - die er gekidnappt hat... «
»Wenn dabei eine Frau im Spiel ist, wird sie überleben. Der Mann nicht. Vom Zustand seiner Leiche her können wir darin sagen, ob er das Ziel der Mission war.«
»Rache?«
»Das wird sich zeigen. Noch etwas anderes - wenn Sie Polizisten auf ihn ansetzen, dürfen Sie nicht vergessen, daß er mit Waffen besser umgehen kann als der Durchschnitt. Wahrscheinlich wirkt er ganz harmlos. Ihm wird daran gelegen sein, eine Konfrontation zu vermeiden, denn er will nicht die Falschen umbringen. Sonst hätte er auch Mrs. Charles getötet.«
»Wir müssen ihn in die Enge treiben, und... «
»Das würde ich Ihnen besser nicht raten!«
»Na, bequem?« fragte Kelly.
Die Druckkammer gehörte zu den siebenhundert Stück, die von der Dykstra Foundy and Tool Company Inc. aus Houston, Texas, im Auftrag der Marine hergestellt worden waren, wie das Namensschild besagte. Der Kegel aus hochwertigem Stahl war dazu gedacht Druckverhaltnisse zu simulieren, wie sie beim Tiefseetauchen herrschen. Am oberen Ende war ein zehn Quadratzentimeter großes Dreifachfenster aus Plexiglas eingefügt. Es gab sogar eine kleine Öffnung, durch die Dinge wie Lebensmittel oder Getränke hineingereicht werden konnten, und im Innern befand sich eine Zwanzig-Watt-Leselampe in einer geschützten Fassung. Unter der Kammer gab es einen kraftvollen, benzinbetriebenen Luftkompressor, der von einem Klappstuhl aus kontrolliert werden konnte. Daneben saßen zwei Druckventile. Eines zeigte in konzentrischen Kreisen Millimeter und Zoll, Pfund pro Quadratzentimeter, Kilogramm pro Quadratzentimeter und »Bar« oder das Vielfache des normalen atmosphärischen Drucks, der 14,7 PSI betrug. Der andere Anzeiger bezog sich auf die entsprechende Wassertiefe in Fuß und Meter. Alle zehn Meter der simulierten Tiefe stieg der Druck um 14,7 PSI oder ein Bar an.
»Hören Sie, was immer Sie wissen wollen, ich... « drang es über die Sprechanlage.
»Hab mir schon gedacht, daß du jetzt zu Verstand kommst.« Mit einem Zug am Seil setzte Kelly den Motor des Kompressors in Betrieb. Er prüfte nach, ob das einfache Muffenventil neben dem Druckanzeiger geschlossen war. Dann öffnete er das Druckventil, so daß der Kompressor Luft in das Innere der Kammer blies, und sah zu wie sich die Nadel langsam im Uhrzeigersinn bewegte.
»Kannst du schwimmen?« fragte Kelly, während er Billys Gesicht beobachtete.
Billy hob alarmiert den Kopf. »Was? Bitte! Ertränken Sie mich nicht!«
»Dazu wird es nicht kommen. Also, kannst du schwimmen?«
»Ja, natürlich.«
»Bist du schon mal getaucht?« fragte Kelly als nächstes.
»Nein, noch nie«, antwortete der verwirrte
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