01 - Gnadenlos
Kellys Anteilnahme nicht verdient.
Aber das spielte jetzt ohnehin keine Rolle mehr. Die Schäden waren nicht mehr rückgängig zu machen. Vielmehr gewannen sie an Eigendynamik, indem das bei dem barometrischen Trauma losgelöste Gewebe in den Blutgefäßen mitgeschwemmt wurde, so daß sie eins nach dem anderen verstopften. Die schlimmsten Auswirkungen dieses Vorgangs würden sich in Billys Gehirn zeigen. Schon bald würde sich in seinen blicklosen Augen der Wahnsinn abzeichnen, und obwohl Kelly die letzte Druckanpassung langsam und vorsichtig durchführte, würde das, was ihm beim Öffnen der Kammer gegenüberstand, kein Mann mehr sein - aber das war er ja ohnehin nie gewesen.
Kelly löste die Bolzen an der Einstiegsluke. Sofort schlug ihm ein fauliger Gestank entgegen, den er eigentlich hätte erwartet haben müssen. Der Druck und sein Nachlassen hatten in Billys Verdauungstrakt und Leber die vorhersehbaren Folgen gezeitigt. Er würde die Kammer später ausspritzen, beschloß Kelly, während er Billy nach draußen zog und auf den Betonfußboden legte. Er überlegte, ob er ihn anketten mußte. Doch der Körper zu seinen Füßen war für seinen Besitzer nutzlos geworden, die wichtigsten Gelenke nahezu zerstört und das zentrale Nervensystem nur noch dazu da, Schmerzen zu verbreiten. Trotzdem atmete Billy noch, und das war gut so, dachte Kelly. Froh, daß er es hinter sich hatte, ging er in sein Schlafzimmer. Mit ein wenig Glück würde ihm so etwas in Zukunft erspart bleiben. Und mit ein wenig Glück und den entsprechenden Medikamenten würde Billy noch einige Wochen am Leben bleiben. Wenn man es so nennen konnte.
21 Möglichkeiten
Kelly war direkt etwas verstört, daß er so gut geschlafen hatte. Es war irgendwie nicht angebracht, dachte er beunruhigt, zehn Stunden lang durchzuschlafen, nachdem er Billy das angetan hatte. Merkwürdig, daß sich sein Gewissen ausgerechnet jetzt rührte, sagte Kelly beim Rasieren zu seinem Ebenbild im Spiegel; außerdem meldete es sich reichlich spät. Wenn einer nichts anderes tat, als Frauen zu quälen und mit Drogen zu handeln, dann sollte er sich über die möglichen Konsequenzen im klaren sein. Kelly wischte sich den Schaum ab. Es hob absolut nicht seine Stimmung, daß er einen anderen gefoltert hatte - da gab es keinen Zweifel. Es war nur darum gegangen, notwendige Informationen zu sammeln und gleichzeitig auf ganz besonders angemessene Weise der Gerechtigkeit wieder Geltung zu verschaffen. Daß er sein Verhalten in diese ihm wohlvertrauten Begriffe fassen konnte, trug einiges dazu bei, daß ihn sein schlechtes Gewissen nicht übermannte.
Er mußte noch weg. Nach dem Anziehen holte sich Kelly einen Plastiksack. Der kam hinten aufs Brunnendeck seiner Jacht. Er hatte bereits gepackt und brachte seine Sachen in die Kajüte.
Die Überfahrt würde mehrere Stunden dauern, größtenteils langweilig und zu mehr als der Hälfte im Dunkeln verlaufen. Während er südwärts auf Point Lookout zusteuerte, nahm sich Kelly die Zeit, um die Ansammlung der abgewrackten Schiffe bei Bloodsworth Island in Augenschein zu nehmen. Sie waren für den Ersten Weltkrieg gebaut worden und bildeten eine äußerst bunte Mischung. Einige waren aus Holz, andere aus Beton - was überaus merkwürdig erschien -, und alle hatten die weltweit ersten gezielten UBoot-Angriffe überstanden, waren aber selbst in den 20er Jahren schon nicht kommerziell einträglich gewesen, als Handelsmatrosen viel billiger zu haben gewesen waren als die Schleppdampferbesatzungen, die regelmäßig in der Chesapeake Bay verkehrten. Kelly ging auf die Laufbrücke, und während der Autopilot den südlichen Kurs hielt, besah er sich seine Zielobjekte durchs Fernglas. Irgendwo würde sich schon etwas regen. Er konnte aber keine Bewegung wahrnehmen und sah auch keine Boote in dem sumpfigen Gewässer, zu dem ihre letzte Ruhestätte geworden war. Das war zu erwarten gewesen, dachte er. Es würde ja kein ständiger Betrieb herrschen, obwohl es bis vor kurzem ein schlaues Versteck für Billys Unternehmungen gewesen war. Er änderte den Kurs auf Westen. Diese Angelegenheit konnte noch warten. Kelly versuchte bewußt, sein Denken in eine andere Richtung zu lenken. Bald würde er wieder im Team, mit Männern seines Schlags zusammenarbeiten. Eine willkommene Abwechslung, dachte er, während der ihm genügend Zeit bleiben würde, sich seine Taktik für die nächste Phase seines Vorgehens zurechtzulegen.
Die Polizeibeamten waren über den Vorfall
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