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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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ausführten. Und deren Mitarbeiter ließen mit den Papieren auf ihrem Schreibtisch nicht immer die nötige Vorsicht walten. Marvins augenblicklicher Vorgesetzter war mit seinen Leistungen mehr als zufrieden. Der neue Mitarbeiter hatte eine gute Beobachtungsgabe, und seine Berichte ließen nichts zu wünschen übrig. Zur Freude seines Vorgesetzten hatte er eine Beförderung nach Detroit bereits abgelehnt - tut mir leid, Boss, aber mir gefällt die Gegend von Washington einfach zu gut. Ein Typ mit seinen Fähigkeiten, der auch noch an seinem bescheiden dotierten Job hing, konnte seiner Dienststelle nur von Nutzen sein. Für Marvin hatte die Stelle den Vorteil, daß er vier von fünf Tagen pro Woche unterwegs war, Leute treffen konnte, wann und wo er wollte, und einen Wagen auf Firmenkosten fuhr - Aetna übernahm sogar den Sprit und die Wartungskosten -, also alles in allem ein Leben wie im Paradies. Eine ehrliche Begeisterung für Baseball führte ihn in das RFK-Stadion, wo ihm die Anonymität der Masse so viele Möglichkeiten für heimliche Übergaben und andere Treffs bot, wie man sie sich im Einsatzhandbuch für KGB-Offiziere nur hatte erträumen können. Kurz gesagt, Hauptmann Jegorow war ein Mann auf dem Weg nach oben, der unter angenehmer Deckung und in angenehmer Umgebung den Dienst an seinem Vaterland tat. Er war sogar noch rechtzeitig genug in Amerika eingetroffen, um die letzten Ausläufer der sexuellen Revolution mitzukriegen. Das einzige, was er vermißte, war der Wodka, den die Amerikaner nie richtig hinbekamen.
    Wirklich interessant, staunte Marvin in seiner im Stil der sechziger Jahre eingerichteten Wohnung. War es nicht noch komisch, daß er ausgerechnet von einem Amerikaner über eine hochkarätige Geheimdienstoperation der Russen unterrichtet wurde? Und damit ergab sich die Möglichkeit, den ärgsten Feinden seines Vaterlands über Mittelsmänner eine Schlappe zuzufügen - vorausgesetzt, sie brachten die Dinge schnell genug ins Rollen. Außerdem konnte er seinem Führungsoffizier berichten, daß die Hunde von der sowjetischen Luftwaffe etwas laufen hatten, was schwerwiegende Auswirkungen auf die nationale Verteidigung haben konnte. Sie würden wahrscheinlich versuchen, sich die Operation unter den Nagel zu reißen. Etwas so Wichtiges wie die nationale Verteidigung konnte man doch nicht den Leuten von der Luftverteidigung anvertrauen - und dieser Kerl, der die Befragungen durchführte, mußte vom PWO Strany sein. Marvin notierte den Gesprächsverlauf in Stichpunkten, fotografierte die Zettel und verstaute den Film in einer winzigen Kassette. Sein erster Termin morgen früh war bei einem hiesigen Bauunternehmer. Anschließend wollte er zum Frühstücken in ein Howard Jonson's fahren, wo er die Übergabe abwickeln konnte. Mit der Diplomatenpost würde die Kassette in zwei, höchstens drei Tagen in Moskau eintreffen.
    Als Hauptmann Jegorow mit seinem Tagespensum fertig war, bekam er gerade noch das Ende des Spiels der Senators mit. Wirklich ein Knüller, dachte er, während er sein Bier trank. Mit diesem Henderson hatten sie einen guten Fang gemacht. Niemand hatte ihm erklärt - oder vielleicht hatte man es auch nicht gewußt -, daß er über eine eigene Quelle im Nationalen Sicherheitsrat der Regierung verfügte. Wenn das nicht einschlug wie eine Bombe!
    Streß oder nicht, es war eine Erleichterung, als die C-141 unsanft auf dem Flughafen von Da Nang aufsetzte. Alles in allem hatte der Flug dreiundzwanzig lärmerfüllte, nervenzehrende Stunden gedauert. Sie hatten die Nase gründlich voll, bis sie schlagartig von der Realität umfangen wurden. Kaum hatte sich die Ladeluke der Starlifter geöffnet, da traf sie der Gestank. Unter den Veteranen dieses Krieges hieß er allgemein der »Gestank von Vietnam« - als ob der Inhalt zahlloser Latrinen in Fässer gegossen und gemeinsam mit Dieseltreibstoff verbrannt worden wäre.
    »Den Geruch kennen wir doch!« Der schlechte Witz eines Marine rief bei den anderen nur ein gequältes Grinsen hervor.
    »Absitzen«, rief Irvin, als der Motorenlärm erstarb. Aber das brauchte seine Zeit. Durch die Erschöpfung und das lange Sitzen waren ihre Muskeln steif. Viele schüttelten den Kopf, um die von den Kopfhörern verursachte Benommenheit loszuwerden. Andere gähnten und streckten sich und zeigten alle typischen Symptome für körperliches Unwohlsein.
    Die Besatzung der Maschine stieg aus, als die Marines gerade losmarschieren wollten. Captain Albie ging zu den Piloten und

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