Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
würde, dessen letzte Ruhestätte im Büro der Bezirksve rwaltung verzeichnet war. Aber sie war nicht groß.
    »Was soll das heißen, Sie wissen es nicht?« erkundigte sich General Rokossowskij in barschem Ton. »Er ist mein Mann! Haben Sie ihn weggeschickt?«
    »Genosse General«, erwiderte Giap scharf, »ich habe Ihnen alles erzählt, was ich weiß!«
    »Und Sie sagen, ein Amerikaner hat es getan?«
    »Sie haben die Geheimdienstunterlagen genausogut wie ich gesehen.«
    »Der Mann ist im Besitz von Informationen, die die Sowjetunion benötigt. Es fällt mir schwer, zu glauben, daß die Amerikaner einen Überfall geplant haben, der nur die Entführung des einen sowjetischen Offiziers in der Gegend zum Ziel hatte. Ich würde Ihnen raten, Genosse General, sich etwas mehr zu bemühen.«
    »Wir befinden uns im Krieg!«
    »Ja, das ist mir nicht entgangen«, bemerkte Rokossowskij trocken. »Warum, glauben Sie, wäre ich sonst hier?«
    Giap hätte den größeren Mann, der vor seinem Schreibtisch stand, vor Wut am liebsten angeschrien. Er war schließlich Oberbefehlshaber der Streitkräfte seines Landes und ein tüchtiger Heeresführer. Der vietnamesische General schluckte nur mit Mühe seinen Stolz hinunter. Er brauchte leider die Waffen, die nur die Sowjetunion liefern konnte, und so mußte er sich vor diesem Russen zum Wohl seines Landes entwürdigen. Einer Sache war er sich indes sicher. Das Lager war den Ärger nicht wert, den es ihm eingebracht hatte.
    Das seltsame war, daß der tägliche Ablauf relativ angenehm geworden war. Kolja war nicht mehr da. Das war sicher. Zacharias war schon so desorientiert, daß er nicht mehr genau festlegen konnte, wie viele Tage verstrichen waren, aber seit vier Schlafperioden hatte er die Stimme des Russen nicht mehr vor der Tür gehört. Desgleichen war seither niemand mehr hergekommen, um ihn zu mißhandeln. Er hatte gegessen und einsam seinen Gedanken nachgehangen. Zu seiner Überraschung war alles besser statt schlechter geworden. Die mit Kolja verbrachte Zeit war zu einer gefährlicheren Sucht als sein Zwischenspiel mit dem Alkohol geworden. Die Einsamkeit war jetzt sein wahrer Feind, nicht der Schmerz, nicht die Angst. Robin stammte aus einer Familie und einer Glaubensgemeinde, die Kameradschaft förderte, und hatte eine Berufslaufbahn eingeschlagen, die ebenso davon lebte, und da ihm dies nun verwehrt wurde, war er mit seinen Gedanken allein gelassen. Noch ein bißchen Schmerz und Angst, was ergab das? Etwas, das sich von außen sehr viel leichter sehen ließ als von innen. Kolja hatte das zweifellos wahrgenommen. Wie du, hatte er oft gesagt, wie du. So also erledigte er seinen Job, sagte sich Zacharias. Ganz schön schlau, das mußte der Colonel zugeben. Auch wenn er Fehler und Versagen nicht gewohnt war, so blieb er doch nicht dagegen gefeit. Er hatte sich am Luftwaffenstützpunkt Luke aus Leichtsinn beinahe selbst umgebracht, als er Jagdflugzeuge fliegen gelernt hatte. Und fünf Jahre später, als er sich gefragt hatte, wie es wohl im Innern eines Gewitters aussah, war er beinahe wie ein Blitz in den Boden eingeschlagen. Nun hatte er einen weiteren Fehler begangen.
    Zacharias kannte den Grund nicht, warum er von den Verhören verschont blieb. Vielleicht war Kolja weggefahren, um über seine neuen Kenntnisse Bericht zu erstatten. Was auch immer der Grund war, Robin hatte nun die Möglichkeit, nachzudenken. Du hast gesündigt, sagte er sich. Du hast dich sehr dumm verhalten. Aber das wirst du nicht wieder tun. Ein schwacher Entschluß, und Zacharias wußte, daß er noch daran arbeiten mußte. Glücklicherweise blieb ihm jetzt Zeit zum Nachdenken. Wenn es auch keine wahre Erlösung war, so war es immerhin etwas. Mit einem Schlag war er voll bei Bewußtsein, ganz wie bei einem Kampfeinsatz. Mein Gott, dachte er, dieses Wort. Ich hatte Angst, um Erlösung zu beten... und doch... Seine Wächter wären überrascht gewesen, das nachdenkliche Lächeln in seinem Gesicht zu sehen, besonders, wenn sie gewußt hätten, daß er wieder mit dem Beten angefangen hatte. Beten, so war ihnen allen gelehrt worden, war eine Farce. Aber das war ihr Pech und könnte seine Rettung sein.
    Vom Büro aus konnte Ritter nicht anrufen. Das wäre unstatthaft gewesen. Auch von daheim wollte er nicht telefonieren. Der Anruf würde über einen Fluß und eine Staatsgrenze gehen, und er wußte, daß für Telefongespräche im Bereich der Hauptstadt aus Sicherheitsgründen besondere Vorkehrungen getroffen waren.

Weitere Kostenlose Bücher