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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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küßte ihren Nacken, ließ sie im Spiegel zusehen. Dann nahm er den Kamm wieder auf und machte weiter. Es kam ihm ausgesprochen unmännlich vor, aber es gefiel ihm trotzdem. »Da, alles glatt, keine Knoten.«
    »Du solltest wirklich einen Fön anschaffen.«
    Kelly zuckte mit den Achseln. »Ich hab nie einen gebraucht.«
    Pam drehte sich um und nahm seine Hände. »Du wirst aber, wenn du mich immer noch willst.«
    Er schwieg vielleicht zehn Sekunden, und als er sprach, brachte er die Worte nicht ganz so heraus wie beabsichtigt, denn nun bekam er es mit der Angst zu tun. »Bist du sicher?« »Willst du noch... «
    »Ja!« Es war nicht leicht, sie mit ihrem nassen Haar, noch nackt und feucht vom Duschen, hochzuheben, aber in so einem Augenblick mußte ein Mann seine Frau einfach in den Arm nehmen. Sie hatte sich schon verändert. Ihre Rippen stachen nicht mehr so hervor. Durch die regelmäßige, gesunde Ernährung hatte sie zugenommen. Aber innerlich hatte sich am meisten getan. Kelly wunderte sich, was da für ein Wunder stattgefunden hatte; er mochte kaum glauben, daß er daran Anteil hatte, und doch wußte er, daß es so war. Nach einer Weile setzte er sie wieder ab, betrachtete die Fröhlichkeit in ihren Augen und war stolz, daß er mitgeholfen hatte, sie in ihr zu wecken.
    »Ich hab auch meine Ecken und Kanten«, warnte Kelly, ohne sich des Ausdrucks in seinen eigenen Augen bewußt zu sein.
    »Die meisten hab ich schon gesehen«, versicherte sie ihm. Ihre Hände fuhren über seine gebräunte Brust, die dunkel behaart und von Narben aus Kampfeinsätzen an einem fernen Ort gezeichnet war. Ihre Narben waren innerlich, aber solche gab es bei ihm auch, und wenn sie zusammenblieben, würde jeder den anderen heilen. Pam war sich dessen nun ganz sicher. Sie hatte begonnen, die Zukunft nicht mehr als einen düsteren Ort zu betrachten, wo sie sich verstecken und vergessen konnte. Nun war es ein Ort der Hoffnung.

6 Hinterhalt
    Alles übrige war einfach. Sie machten einen kurzen Bootsausflug nach Solomons, wo Pam ein paar Dinge einkaufen konnte. In einem Schönheitssalon ließ sie sich die Haare machen. Nach Ablauf der zweiten Woche bei Kelly unternahm sie schon Dauerläufe und hatte zugenommen. Sie konnte bereits einen Bikini tragen, ohne daß ihre Rippen allzu deutlich hervortraten. Ihre Beinmuskulatur kräftigte sich; was vorher schlaff gewesen war, war nun straff, wie es sich für ein Mädchen in ihrem Alter gehörte. Ab und zu wurde sie noch immer von der Vergangenheit verfolgt. Zweimal wachte Kelly auf, weil sie neben ihm zitterte, schwitzte und irgend etwas vor sich hin murmelte, was nie zu richtigen Worten wurde, aber dennoch nur allzuleicht zu verstehen war. Beide Male hatte seine Berührung sie beruhigt, aber nicht ihn. Bald brachte er ihr bei, die Springer zu steuern, und sosehr auch ihre Bildung zu wünschen übriglassen mochte, dumm war sie bestimmt nicht. Mühelos erlernte sie Handgriffe, die den meisten Bootsleuten ewig ein Rätsel blieben. Kelly ging auch mit ihr schwimmen, nicht wenig überrascht, daß sie das mitten in Texas gelernt hatte.
    Das wichtigste war seine Liebe zu ihr. Er genoß den Anblick, die Laute, den Geruch von Pam Madden, und am meisten liebte er, wie sich ihr Körper anfühlte. Kelly merkte, daß er bereits leicht unruhig wurde, wenn er sie nicht alle paar Minuten sah, als könnte sie irgendwie verschwinden. Doch sie war stets da, erwiderte seinen Blick und lächelte verschmitzt zurück. Meistens. Manchmal ertappte er sie mit einem anderen Gesichtsausdruck, wenn sie sich hatte hinreißen lassen, einen Blick zurück in das Dunkel ihrer Vergangenheit oder auch nach vorn in eine Zukunft zu werfen, die vielleicht ganz anders war als die, die Kelly für sie vorgesehen hatte. In solchen Augenblicken wünschte er sich, er könnte nach ihrer Seele greifen und die beschädigten Teile einfach herausnehmen, aber er wußte, daß er diese Aufgabe anderen würde anvertrauen müssen. Wenn ihm solche Gedanken kamen - und im übrigen auch, wenn es nicht so war –, suchte er sich irgendeinen Vorwand, um zu ihr hinüberzugehen und ihr mit den Fingerspitzen zart über die Schultern zu streichen, nur damit sie sicher sein konnte, daß er für sie da war.
    Zehn Tage nachdem Sam und Sarah die Insel verlassen hatten veranstalteten sie eine kleine Zeremonie. Kelly ließ sie mit dem Boot hinausfahren, die Flasche mit dem Phenobarbital an einen großen Stein binden und ins Wasser werfen. Das satte Platschen im

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