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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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wirst du tun?«
    »Das willst du bestimmt nicht wissen, Sam.«
    »Ich möchte helfen, wirklich«, sagte Rosen mit echter Verwunderung in der Stimme. »Ich hab sie auch gern gehabt, John.«
    »Das weiß ich.«
    »Also, was kann ich tun?« fragte der Chirurg. Er befürchtete, Kelly würde um etwas bitten, das er nicht erfüllen konnte, und noch mehr fürchtete er, daß er einwilligen würde.
    »Mach mich gesund.«

9 Knochenarbeit
    Das kann man kaum noch mitansehen, dachte Sandy. Seltsamerweise war Kelly ein guter Patient. Er jammerte nicht, meckerte nicht, sondern tat einfach, was man ihm sagte. Jeder Physiotherapeut hatte etwas von einem Sadisten. Das mußte auch so sein, denn schließlich sollte er die Leute weiter antreiben, als sie eigentlich gehen wollten - so ähnlich wie ein Trainer von Spitzensportlern. Aber dahinter stand schließlich das Ziel zu helfen. Ein guter Physiotherapeut mußte seine Patienten schurigeln, die Schwachen ermutigen und die Starken mit fester Hand anpacken, im Namen der Gesundheit. Das hieß, Befriedigung aus der Qual und Mühsal der anderen zu ziehen, und O'Toole hätte das nicht fertiggebracht. Aber bei Kelly, das sah sie, war dergleichen nicht nötig. Er tat, was man von ihm erwartete, und wenn der Therapeut mehr verlangte, bekam er es geliefert, und so ging es weiter und weiter, bis der Therapeut über den Punkt hinaus war, wo er über das Ergebnis seiner Bemühungen noch Stolz empfinden konnte, und begann, sich Sorgen zu machen.
    »Sie können jetzt langsamer machen«, sagte er.
    »Warum?« fragte Kelly, ziemlich außer Atem.
    »Ihr Puls ist bei einhundertfünfundneunzig.« Und das schon seit fünf Minuten.
    »Und wo steht der Rekord?«
    »Bei null«, antwortete der Therapeut, ohne die Miene zu verziehen. Dafür erntete er ein Lachen, und in den nächsten zwei Minuten verlangsamte Kelly seinen Rhythmus auf dem Heimtrainer, bis er widerwillig zum Halten kam.
    »Ich wollte ihn abholen«, verkündete Sandy O'Toole. »Gut, tun Sie das, bevor er uns noch was kaputtmacht.« Kelly stieg ab und wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch trocken. Er war froh, daß sie keinen Rollstuhl oder etwas ähnlich Beschämendes mitgebracht hatte. »Wie komme ich zu dieser Ehre, Gnädigste?«
    »Ich soll ein Auge auf Sie haben«, antwortete Sandy.
    »Wollen Sie uns vorführen, was für ein zäher Bursche Sie sind?«
    Kelly, der eben noch ironisch gewirkt hatte, wurde ernst. »Mrs. O'Toole, ich soll nicht mehr soviel an meine Probleme denken, nicht wahr? Und das erreiche ich durch Training. Mit meinem verbundenen Arm kann ich weder joggen noch Liegestütze machen oder Gewichte heben. Aber radfahren, das kann ich. Alles klar?«
    »Gut, das sehe ich ein.« Sie zeigte zur Tür. Draußen, in der geschäftigen Anonymität des Krankenhausflurs, sagte sie: »Das mit Ihrer Freundin tut mir leid.«
    »Danke, Madam.« Ein wenig benommen von der Anstrengung schüttelte er den Kopf, als sie sich ihren Weg durch die Menge bahnten. »Wir Leute in Uniform haben unsere Rituale. Die Hymne, die Flagge, die Jungs mit den Salutschüssen - für uns Männer hat das eine Bedeutung. Es ist ein Trost, wenn man weiß, daß das alles nicht völlig sinnlos war. Deshalb tut es nicht weniger weh, aber es ist doch immerhin ein formeller Abschied. Wir haben gelernt, damit fertig zu werden. Doch was Sie durchgemacht haben, war anders, und mir geht es jetzt genauso. Was haben Sie getan? Sich mehr in die Arbeit vergraben?«
    »Ich habe meine Prüfung zur Oberschwester abgelegt, und ich gebe Unterricht. Außerdem sorge ich mich um meine Patienten.« Das war alles, woraus ihr Leben jetzt noch bestand.
    »Okay, aber um mich brauchen Sie sich nicht zu sorgen. Ich weiß, wo meine Grenzen sind.«
    »Und wo sind Ihre Grenzen?«
    »Die habe ich noch längst nicht erreicht«, sagte Kelly mit dem Anflug eines Lächelns, das aber schnell wieder verschwand. »Mache ich Fortschritte?«
    »Ja, große sogar.«
    Allerdings war nicht alles so glatt verlaufen, und das wußten sie beide. Donald Madden war ohne seine Frau aus Baltimore gekommen, um die Freigabe der Leiche seiner Tochter zu beantragen. Trotz hartnäckiger Bitten von Sarah Rosen war er nicht bereit gewesen, sich mit irgend jemandem zu treffen. Er habe kein Interesse, mit einem Hurenbock zu sprechen, hatte der Mann am Telefon gesagt, eine Bemerkung, von der allein Sandy wußte, da die beiden Ärzte sie nicht weiter verbreitet hatten. Der Chirurg hatte ihr die Geschichte des Mädchens

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