01 - Gnadenlos
Dorfvorstehers, erkannte Kelly. Eine Demonstration: Wer sich gegen uns auflehnt, muß leiden. Und wenn andere es mitbekamen, um so besser. Das war eine Frage des Stolzes.
Erschöpft von den Wochen der Bettruhe und dem langen Tag mit all seinen Anstrengungen, ließ Kelly sich aufs Bett zurücksinken. Er starrte an die Decke, ohne das Licht zu löschen, und hoffte, daß er Schlaf finden, hoffte, daß er von Pam träumen würde. Doch sein letzter Gedanke, bevor er einschlief, beschäftigte sich schon mit etwas anderem.
Wenn seine Überheblichkeit ein Leben kosten konnte, dann sollte es diesen Meistern der Selbstherrlichkeit auch nicht besser gehen.
Wie üblich traf Dutch Maxwell um Viertel nach sechs in seinem Büro ein. Obwohl er als Assistant Chief of Naval Operations (Air) nicht länger Mitglied der Kommandohierarchie war, hatte er nach wie vor den Rang eines Vizeadmirals, und in seiner augenblicklichen Stellung wurde von ihm erwartet, daß er jedes einzelne Flugzeug der Navy als sein eigenes betrachtete. Deshalb befand sich ganz oben auf dem Stapel mit den täglich zu bearbeitenden Akten ein zusammenfassender Bericht über die gestrigen Einsätze über Vietnam - im Grunde waren es die heutigen, und nur durch die Eigentümlichkeit der Zeitgrenze kam es zustande, daß sie dem vorigen Tag zugerechnet wurden. Diese Besonderheit war ihm schon immer irgendwie frevelhaft vorgekommen, obwohl er selbst schon einmal sozusagen direkt über dieser unsichtbaren Grenze im Pazifik in eine Schlacht verwickelt gewesen war. Er erinnerte sich noch gut daran. Vor nicht ganz dreißig Jahren hatte er den Jäger F4F-4 Wildcat vom Flugzeugträger USS Enterprise aus geflogen - als junger Leutnant zur See, noch mit all seinen, wenn auch kurzgeschnittenen, Haaren, jungverheiratet und mal gerade dreihundert Flugstunden auf dem Buckel. Am Nachmittag des vierten Juni 1942 war er auf drei japanische Sturzbomber vom Typ »Val« gestoßen, die eigentlich dem Rest ihres Hiryu-Luftgeschwaders zum Angriff auf die Yorktown hätten folgen sollen, sich jedoch verirrt und versehentlich seinen Flugzeugträger angesteuert hatten. Unter Ausnutzung des Überraschungseffekts, als er aus einer Wolke hervorgetaucht kam, hatte er zwei von ihnen an Ort und Stelle abgeschossen. Beim dritten hatte es etwas länger gedauert. Er erinnerte sich noch genau an das blitzende Sonnenlicht auf den Flügeln seines Gegners und an das Mündungsfeuer, als der feindliche Schütze immer wieder vergeblich versuchte, ihn in die Flucht zu schlagen. Bei seiner Landung auf dem Flugzeugträger vierzig Minuten später hatte er seinem ungläubigen Staffelkommandeur drei Abschüsse gemeldet - die dann von den Bordkameras bestätigt wurden. Über Nacht wurde sein ihm so verhaßter Spitzname »Winny« auf dem »offiziellen« Kaffeebecher der Staffel in »Dutch«, der »Wilde«, umgeändert, und nachdem er einmal in blutroten Lettern auf das Porzellan gepinselt stand, sollte er für den Rest seiner Laufbahn an ihm hängenbleiben.
In vier weiteren Kampfeinsätzen hatte er zwölf Abschüsse für sich verzeichnen können, und in kürzester Zeit wurde er erst Kommandeur einer Kampfstaffel, dann eines Fluggeschwaders auf einem Flugzeugträger, dann eines Flugzeugträgers selbst, dann eines Geschwaders und schließlich, bevor er seine jetzige Stellung angetreten hatte, Kommandeur der US-Luftstreitkräfte der Pazifischen Flotte. Mit ein wenig Glück hielt die Zukunft vielleicht ein Flottenkommando für ihn bereit, und das war das Höchste, was er sich je für sich hatte vorstellen können. Maxwells Büro entsprach seiner Position und Erfahrung. Links von seinem Mahagonischreibtisch hing die Seitenplatte der F6F Hellcat an der Wand, die er über dem Philippinenbecken und vor der Küste Japans geflogen hatte. Auf den tiefblauen Untergrund gemalt, prangten fünfzehn Flaggen mit der aufgehenden Sonne, nur für den Fall, daß jemand vergaß, daß dieser bedeutende Marineflieger dabeigewesen war und seine Arbeit besser gemacht hatte als die meisten anderen. Der Becher von der guten alten Enterprise hatte einen Ehrenplatz auf seinem Schreibtisch, nun nicht mehr im Einsatz für so triviale Dinge wie Kaffeetrinken und ganz bestimmt nicht zum Aufbewahren von Stiften.
Eigentlich hätte sich Maxwell beim Gedanken an seine Karriere zufrieden zurücklehnen können, doch statt dessen warf er einen Blick auf die tägliche Verlustliste der YankeeStation. Zwei leichte Kampfbomber vom Typ A-7A Corsair waren
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