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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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in ihrer Hand gerichtet. Sie drehte es langsam auf der Handfläche, als konzentriere sie sich einzig darauf, es im Gleichgewicht zu halten und ja keinen Tropfen Bier zu vergießen.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Sie war ein großes Kind. Ich weiß es noch. Beinahe so groß wie Gillian.« Sie strich sich mit der Hand, die von der Feuchtigkeit am Glas naß war, ein paar Härchen aus der Stirn. »Ja, sie war ein großes Mädchen. Aber nicht dick. Das kam erst später. Und es ging ganz langsam. Erst wurde sie nur ein bißchen rundlich. Dann war sie - wie Sie sie heute gesehen haben.« Sie schauderte und sagte sofort: »Das ist gemein von mir, nicht? Ich habe eine Abneigung gegen alles Häßliche. Das gefällt mir selbst an mir nicht.«
    »Aber Sie haben mir nicht geantwortet.«
    »Nein? Was haben Sie gefragt?«
    »Woher Sie wissen, daß ich bei Roberta war.«
    Sie errötete. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und wirkte so verlegen, daß es Lynley leidtat, sie gedrängt zu haben.
    »Es ist nicht weiter wichtig«, sagte er.
    »Ich - Sie sehen einfach anders aus als heute morgen. Bedrückter. Als hätten Sie eine Last auf den Schultern. Und an Ihren Mundwinkeln sind zwei Kerben, die vorher nicht da waren.« Sie errötete noch tiefer.
    »Ach so.«
    »Darum kam ich auf den Gedanken, daß Sie bei ihr gewesen sein könnten.«
    »Aber Sie wußten es, ohne zu fragen.«
    »Ja, das kann sein. Und ich fragte mich, wie Sie es aushalten können, das Häßliche im Leben anderer anzusehen, ohne zurückzuschrecken.«
    »Ich tue es schon seit einigen Jahren. Man gewöhnt sich daran, Stepha.«
    Der Mann, der erdrosselt im Sessel hinter seinem Schreibtisch saß, das junge Mädchen, das tot dagelegen hatte, die Spritze noch im Arm, der grausam verstümmelte junge Mann. Gewöhnte man sich je wirklich an die dunkle Seite des Menschen?
    Sie sah ihn mit erstaunlicher Direktheit an.
    »Aber es muß doch sein wie ein Blick in die Hölle.«
    »Ein wenig, ja.«
    »Und Sie wollten nie davor weglaufen? Einfach wie verrückt in die andere Richtung rennen? Niemals? Kein einziges Mal?«
    »Man kann nicht ewig davonlaufen.«
    Sie wandte sich von ihm ab, starrte zum Fenster hinaus.
    »Ich schon«, murmelte sie.

    Hastig drückte Barbara ihre dritte Zigarette aus, als es an ihre Zimmertür klopfte. In kopflosem Schrecken sah sie sich im Zimmer um, riß das Fenster auf und rannte ins Bad, wo sie das belastende Beweismaterial in der Toilette hinunterspülte. Wieder klopfte es, und Lynley rief ihren Namen.
    Sie ging zur Tür und machte auf. Er zögerte, warf einen neugierigen Blick über ihre Schulter, ehe er sprach.
    »Ah, Havers«, sagte er. »Miss Odell wollte uns offenbar etwas Gutes tun und hat uns für heute abend einen Tisch in Keldale Hall bestellt.« Er sah auf seine Uhr. »In einer Stunde.«
    »Was?« schrie Barbara entsetzt auf. »Ich habe doch gar nichts - ich kann nicht - ich weiß nicht -«
    Lynley zog eine Augenbraue hoch.
    »Bitte sagen Sie jetzt nicht, Sie hätten nichts anzuziehen, Havers.«
    »Aber ich habe doch wirklich nichts«, beteuerte sie. »Fahren Sie doch allein. Ich ess' was im Dove and Whistle.«
    »Halten Sie das angesichts Ihrer Reaktion auf das gestrige Mahl für klug?«
    Ein Schlag unter den Gürtel. Hundsgemein.
    »Ich hab' Huhn noch nie gemocht.«
    »Eben. Der Koch in Keldale Hall ist, wie ich gehört habe, ein Meister seines Fachs. Gemeines Huhn steht ganz sicher nicht auf seinem Speisezettel.«
    »Aber ich kann unmöglich -«
    »Es ist ein Befehl, Havers. In einer Stunde.« Er drehte sich um.
    Wütend knallte sie die Tür zu. Sollte er ruhig merken, wie verärgert sie war. Wunderbar! Das würde ein prachtvoller Abend werden. Sechzehn verschiedene Bestecke, Gläser links und Gläser rechts, hochmütige Kellner, die einem Messer und Gabel wieder wegnahmen, noch ehe man sie benützt hatte. Huhn und Erbsen im Dove and Whistle klang paradiesisch dagegen.
    Sie riß den Kleiderschrank auf. Also, Barb, worin wollen wir heute abend glänzen, wenn wir uns unter die feine Gesellschaft mischen? Vielleicht im braunen Tweedrock mit passendem Pullover? Oder in den Jeans mit den Wanderstiefeln? Oder wie wär's mit dem blauen Kostüm, um ihn an Helen zu erinnern? Ha! Als könnte man der schönen Helen mit der todschicken Garderobe, dem seidigen Haar, den manikürten Fingern und der melodischen Stimme das Wasser reichen!
    Sie zerrte ein weißes Wollkleid heraus und schleuderte es auf das ungemachte Bett. Im Grund war es beinahe zum

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