01 - komplett
achten.“
Sebastian ließ den Arm sinken und straffte die Schultern.
Clara stellte fest, dass sie vergessen hatte zu atmen, und holte tief Luft. „Bringen Sie mich nach Hause.“ Diesmal klang ihre Stimme bittend.
Gleich darauf wichen die Büsche und Bäume zurück, und wenig später bog der Phaeton auf den Hauptweg ein. Ein Gentleman, der einen sehr lebhaften Hengst ritt, näherte sich ihnen, lüpfte vor Clara den Hut und nickte dem Duke zu, ehe er sein Pferd eine Pirouette drehen ließ und seinen Weg fortsetzte.
„Angeber ...“, murmelte Sebastian. Ein harter Zug lag um seinen Mund, und seine Miene wirkte plötzlich grimmig. Es tat Clara weh, ihn so zu sehen.
Jetzt kam ihnen ein Landauer entgegen, in dem zwei stark geschminkte Damen mit ihrem Begleiter saßen. Alle drei lächelten und musterten Clara mit unverhohlener Neugier. Der Gentleman hatte sogar sein Lorgnon ans Auge gehoben. Fleet tat, als nähme er die kleine Gruppe gar nicht wahr.
„Freunde von Ihnen?“, erkundigte Clara sich mit leichtem Spott.
„Keine von der Art, zu der ich mich bekennen würde, wenn ich mit Ihnen ausfahre.“
Abrupt brachte Fleet den Phaeton zum Stehen, denn ein paar junge Dandys hatten mit ihren herausgeputzten Pferden den Weg blockiert und begrüßten Clara nun mit sichtlicher Begeisterung. Diese nickte ihnen kühl zu, während Sebastian ihnen einen kurzen Blick zuwarf, der nichts von dem Zorn ahnen ließ, der ihn plötzlich erfasst hatte.
„Walton, Jeffers, Ancrum und Tarver“, murmelte er, als sie schließlich weiterfahren konnten. „Ich beginne, Ihr Problem zu verstehen, Miss Davencourt. Vielleicht würde es die Mitgiftjäger entmutigen, wenn man Sie oft genug in meiner Begleitung sähe.“
„Warum sollte es? Alle Welt weiß, dass Sie ein erklärter Gegner der Ehe sind. Ich denke, diese Gentlemen werden sich erst recht auf mich stürzen, wenn sie feststellen, dass ich bereit bin, meine Zeit mit einem stadtbekannten Rake zu verbringen.“
Sebastian runzelte die Stirn. „Ich glaube dennoch, dass ich einen Weg gefunden habe, Ihnen zu helfen.“
Hoffnung regte sich in ihr. „Dann werden Sie meine Bitte also erfüllen?“
Er schüttelte den Kopf. „Keineswegs. Ich bin nach wie vor nicht bereit, Ihnen etwas über die Tricks der Rakes beizubringen. Das wäre, wie ich schon sagte, unklug. Mein Vorschlag lautet: Für ein paar Wochen, solange Sie noch in London weilen, werde ich als Ihr Begleiter auftreten und dadurch jene Gentlemen davon abhalten, Sie zu belästigen.“ Er lächelte. „Selbstverständlich werde ich Ihnen in allem ein untadeliger und väterlicher Freund sein.“
Seine Stimme klang freundlich, doch Clara wusste, Fleet war keinen Widerspruch gewöhnt. Er rechnete nicht damit, dass sie sein Angebot ablehnte. Nun, sie beabsichtigte jedenfalls nicht, sich seinen Plänen widerstandslos zu unterwerfen.
Kampflustig hob sie das Kinn und erklärte in scharfem Ton: „Bitte, machen Sie sich meinetwegen keine unnötigen Umstände. Sie sollten es nicht als Ihre Pflicht betrachten, mir beizustehen. Ich könnte es nicht ertragen, Ihnen zur Last zu fallen.“
Lächelnd nahm er die versteckte Herausforderung an. „Ich bedaure, Ihnen nicht so helfen zu können, wie Sie das wünschen. Trotzdem sollten Sie die Unterstützung annehmen, die ich Ihnen anzubieten vermag. Ich werde Sie vor unerwünschten Aufmerksamkeiten schützen. Und da Sie nicht beabsichtigen zu heiraten, wird meine Begleitung keinen Verehrer abschrecken, an dem Ihnen wirklich etwas liegt.“
Clara biss sich auf die Unterlippe. Einerseits war dies ein verführerisches Angebot.
Solange Fleet als ihr Begleiter auftrat, würde vermutlich kein Rake und kein Mitgiftjäger es wagen, ihr zu nahe zu kommen. Dennoch war es Wahnsinn, sich auf den Vorschlag einzulassen. Sie würde viel Zeit mit dem Duke verbringen, und das Zusammensein mit ihm würde ihr all das in Erinnerung rufen, was sie an ihm geliebt
– und verloren – hatte. Es war schwer genug gewesen, die Zurückweisung zu verkraften. Sie wollte nicht mehr daran denken. Und vor allem wollte sie nie wieder etwas Ähnliches durchmachen.
„Nein“, sagte sie also.
Er zuckte die Schultern. Woraufhin Clara spürte, wie sich ihr Herz schmerzhaft zusammenzog, bedeutete seine Gleichgültigkeit doch, dass ihm nicht wirklich etwas an Ihrer Gesellschaft lag.
„Nun gut“, stellte er in leichtem Ton fest, „dann bringe ich Sie jetzt nach Hause.“
2. KAPITEL
An der Tür von Davencourt House wollte
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