01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
Flatfords herumgeschlichen ist, sagen die Leute. Da hat's bei mir geklingelt, und ich bin die Berichte von den anderen Fällen noch mal durchgegangen. Und siehe da, bei drei von vieren von den Einbrüchen ist ein grauer Lanchester rumgefahren.«
»Ein grauer Lanchester!« rief Daisy aus. »Lord Stephen hatte doch auch einen grauen Lanchester.«
»Tatsächlich, Miss? Sie erinnern sich nicht zufällig an das Kennzeichen, was?«
»Ich war zu weit weg, um es zu erkennen, und ich glaube auch nicht, daß ich mich daran erinnern könnte, wenn ich es gelesen hätte. Aber Jones, der Chauffeur von Lord Wentwater, wird es sicherlich wissen.«
»Stimmt, Miss. Unser Auto hat jedenfalls eine Londoner Nummer, Chief. Inspector Gillett hat schon telegraphiert, um den Besitzer zu ermitteln. Völlig mit Schlamm verschmiert, das Schild - lächerlich, wo der Lack doch geglänzt hat wie nichts, die Messingbeschläge hochglanzpoliert, und außerdem gibt es im Moment auf dieser Seite vom Ärmelkanal wohl kaum irgendwo Schlamm, der nicht tief und fest gefroren ist. Deswegen haben wir unseren Freund erst einmal vorläufig festgenommen, zumal er gar keinen Führerschein bei sich hatte. Außerdem hat der Inspector die Patscherchen nach Yard geschickt.«
»Patscherchen?« fragte Daisy.
»Seine Fingerabdrücke, Miss. Um herauszufinden, ob er ein Vorstrafenregister hat.«
»Gehe ich recht in der Annahme, daß er sich in Schweigen hüllt?« fragte Mr. Fletcher.
»Stumm wie der Karobube. Fällt mir nur wegen der Diamantraute ein, Chief.« Sergeant Trings kleine braune Augen zwinkerten, und Daisy mußte lachen. Er war eindeutig klüger, als er aussah, dachte sie.
»Dann stellt sich Astwick möglicherweise bald als der Karo-König heraus«, sagte der Chief Inspector trocken.
»Um nicht zu sagen als Herz-König!« warf Daisy ein.
»Miss Dahymple und ich hatten schon einen vagen Verdacht, daß es da irgendeine Verbindung geben könnte. Wenn der dasselbe Kennzeichen hat, prima, aber es würde mich auch nicht überraschen, wenn sich herausstellt, daß die Nummernschilder gefälscht sind oder vor kurzem gestohlen wurden. In jedem Fall durchsuchen wir sein Zimmer, ehe wir gehen, Tom. Aber lassen Sie uns erst einmal mit den Befragungen weiterkommen. Wenn Sie jetzt in die Aufenthaltsräume der Dienerschaft gehen, dann rufen Sie doch Gillett an und sagen ihm, daß er den Burschen unter keinen Umständen laufen lassen darf, und dann sagen Sie dem Diener, er soll Mr. Wilfred hereinschicken.«
»Geht in Ordnung, Chief.« Trings massige Gestalt entschwand mit einem unerwartet leichten und raschen Schritt aus dem Raum.
Daisy platzte vor Neugier. »Wieso würden die sich denn die Mühe machen, ein geklautes Nummernschild mit Schlamm zu beschmieren? Das ist doch viel zu auffällig!«
»Ich würde vermuten, das war die Idee des Dieners und nicht die von Astwick - wenn er tatsächlich in die Sache verwickelt ist. Der erscheint mir viel zu schlau, als daß er etwas so Dummes tun könnte.«
»Aber ein Lanchester ist ohnehin schon ein ziemlich auffälliges Automobil. Ich würde einen Morris oder einen Ford fahren, irgendein Gefährt, das sich die Leute nicht genau anschauen.«
»Aber Astwick wäre ziemlich aufgefallen, wenn er mit einem Morris Oxford die Auffahrt von Wentwater Court hochgezuckelt wäre«, erklärte Mr. Fletcher geduldig. »Zugegeben, sein Diener hätte kurz vor dem Haus das Fahrzeug wechseln können, aber das hätte die Dinge auch viel komplizierter gemacht. Ein Lanchester hingegen wird von der Polizei nicht angehalten, es sei denn, es hätte einen eindeutigen Verstoß gegen das Gesetz gegeben. Denn ein Lanchester kann nur einem wohlhabenden und damit einflußreichen Mann gehören.«
»Und deswegen ... ach, wie ärgerlich!« Daisy eilte zur Fensterbank und nahm ihren Notizblock und den Bleistift auf, als Wilfred hereingeschlendert kam.
»Seien Sie gegrüßt, bester Herr!« begrüßte er den Detective leichthin. »Womit kann ich wohl unserer guten, lieben Polizei dienen? Ach, sieh mal einer an, du spielst wohl hier die Schriftführerin, was, Daisy?«
Sie nickte und schenkte ihm ein knappes Lächeln, überließ es aber Mr. Fletcher, ihm zu antworten.
In Alecs Ohren klang der schmale junge Mann in dem eleganten Anzug eindeutig nervös. Als er saß, zappelte er dauernd herum, schlug die Beine einmal links herum und dann rechts herum übereinander, richtete sich die Krawatte, glättete das glänzend pomadierte Haar. Während Alec noch einen
Weitere Kostenlose Bücher