01 - Nacht der Verzückung
Und
wahrscheinlich würde sie auf dem Weg auf Menschen treffen. Nein, sie musste
sich darauf verlassen, dass er die Tasche für sie fand.
Doch
bei dem Gedanken, vielleicht die letzte Verbindung zu ihrem Vater verloren zu
haben, brach eine Welle der Übelkeit über sie herein und sie konnte nichts mehr
essen.
Sie
raffte sich auf und vor Erschöpfung schwankend durchquerte sie den Raum zur Tür
des Ankleidezimmers. Vorsichtig betätigte sie die verzierte Klinke.
Kapitel 5
Die Gräfin von
Kilborough hatte sich der äußerst delikaten Situation angenommen, nachdem sie
sich von dem Schock in der Kirche mehr oder weniger erholt hatte. Die Gäste des
Hauses wurden zum Frühstück erwartet. Sie hatte Anweisung gegeben, dass es wie
geplant im Ballsaal stattfinden sollte. Doch sämtliche Anzeichen, dass es sich
um eine Hochzeit handelte, mussten entfernt werden - die weißen Schleifen
und die Hochzeitstorte zum Beispiel.
Der
Ballsaal war keineswegs voll, doch in Anbetracht der Vorkommnisse war er voll
genug. Einige der Gäste, die Gräfin eingeschlossen, hatten ihren Hochzeitsstaat
abgelegt und trugen Kleidung, die dem frühen Nachmittag angemessener war.
Trotz allem, was in der Kirche und bei der Rückkehr nach Newbury Abbey
womöglich gesagt worden war, beim Frühstück hatten sich die guten Manieren
durchgesetzt. Höfliche Konversation war angesagt. jeder Fremde, der zufällig im
Ballsaal gelandet wäre, hätte kaum erraten, dass das Mahl, das gerade
eingenommen wurde, eigentlich ein Hochzeitsessen hätte sein sollen, dass die
Hochzeit jedoch in einem katastrophalen Desaster geendet hatte - und dass
sowohl die Familienmitglieder als auch die Gäste kurz davor waren, vor Neugier
zu platzen, um mehr zu erfahren.
Die
Gräfin war gefasst und liebenswürdig, plauderte mit ihren Tischnachbarn über
eine Vielzahl von Themen und ließ sich in keiner Weise anmerken, wie aufgewühlt
sie innerlich war. Private und persönliche Belange waren hintanzustellen. Sie
war schließlich nicht umsonst die Gräfin von Kilbourne.
Dergestalt
war der Anblick, der sich Neville bot, als er den Ballsaal betrat. Doch die
angestrengte Künstlichkeit der Situation wurde offensichtlich, als die
Gespräche plötzlich verstummten und aller Augen sich auf ihn richteten. In
diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er seine Kleider nicht gewechselt hatte -
er hatte einfach nicht daran gedacht. Er war ein Bräutigam ohne Braut. So wie
er war, stand er im Ballsaal und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
»Es
freut mich zu sehen, dass ihr euch zu diesem Mahl versammelt habt«, sagte er.
Er sah sich um, blickte in die Gesichter seiner Freunde und Verwandten und
stellte ohne Überraschung fest, dass weder Lauten noch Gwen anwesend waren.
»Ich werde Euch nicht lange aufhalten. Aber ich schulde Euch natürlich mehr
erklärende Worte, als mir heute Morgen in der Kirche möglich waren. Ich kann
mich nicht einmal erinnern, was ich dort gesagt habe.«
Der
Marquis von Attingsborough, der sich von seinem Platz erhoben hatte, um Neville
den freien Stuhl an seiner Seite anzubieten, setzte sich wortlos wieder hin.
Neville
hatte die Ansprache nicht vorbereitet. Er war sich nicht recht im Klaren, wie
viel oder wie wenig er sagen sollte. Doch es gab keinen Grund, die Wahrheit zu
verschweigen. Seine Mutter sah ihn mit ausdrucksloser Würde an. Sein Onkel
neben ihr runzelte die Stirn. Einige Dienstboten waren anwesend, einschließlich
Forbes, dem Butler. Aber auch die Dienstboten hatten das Recht, in Kenntnis
gesetzt zu werden, dachte Neville. Er wollte sie nicht hinausschicken, bevor er
sich äußerte.
»Ich
heiratete Lily Doyle wenige Stunden nachdem ihr Vater, mein Sergeant, getötet
worden war«, sagte er. »Ich heiratete sie, um das Versprechen einzulösen, das
ich dem Sterbenden gegeben hatte, ihr den Schutz meines Namens und Ranges zu
geben, für den Fall, dass sie von den Franzosen gefangen genommen würde. Am
darauf folgenden Tag geriet die Kompanie, die ich führte, tatsächlich in einen
Hinterhalt. Meine ... Frau wurde getötet, das jedenfalls dachten sowohl
ich als auch der Lieutenant, der mir später Bericht erstattete. Ich wurde mit
einer schweren Kopfverletzung hinter die britischen Linien gebracht. Aber Lily
überlebte als französische Gefangene.« Er hatte nicht die Absicht,
irgendjemanden von ihrer Gefangenschaft bei den spanischen Partisanen in
Kenntnis zu setzen. »Als meine Frau wurde sie ehrenvoll behandelt und
schließlich freigelassen.
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