Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
Vom Netzwerk:
dass er sich
bei Lauren nie sonderlich danach gesehnt hatte. Bei ihr wäre er mit der
angenehmen Freundschaft und Zuneigung zufrieden gewesen, die sie seit jeher
verbunden hatte. Aber nicht bei Lily.
    Er
kämpfte gegen die Versuchung an, in ihre Gemächer zu gehen, um nach ihr zu
sehen. Seit dem Tag in der Hütte hatte er das nicht mehr getan. Er hatte Angst,
er könnte einen Vorwand suchen, um bleiben zu können.
    Doch
plötzlich beugte er sich näher an das Fenster seines Schlafzimmers, durch das
er verträumt in die Nacht geschaut hatte. Er klammerte die Hände an den
Fenstersims. ja, das da unten war Lily. Traute er etwa seinen eigenen Augen
nicht mehr? Wer sonst würde zu dieser nächtlichen Stunde das Haus verlassen?
Ihr Umhang bauschte sich hinter ihr, als sie auf den Pfad zum Tal zueilte -
genau wie ihr Haar. Es wehte ihr lose im Rücken.
    Anfänglich
wunderte er sich, dass sie sich entschlossen hatte, mitten in der Nacht allein
nach draußen zu gehen, wo sie sich doch am helllichten Tag im Wald gefürchtet
hatte. Aber sehr bald begriff er, dass Lily Dämonen zu bekämpfen hatte, vor
denen sie sich nicht verstecken, sondern denen sie sehenden Auges die Stirn
bieten wollte. Davon abgesehen hatte sie ihren Frieden und ihre Heiterkeit
immer aus der freien Natur gezogen und aus der Abgeschiedenheit, die sie selbst
inmitten einer geschäftigen Armee finden konnte.
    Er
sollte sie allein lassen.
    Er
sollte ihr die Möglichkeit geben, am Strand unter den Sternen Trost in ihrem
Unglück zu finden.
    Dennoch
verzehrte er sich nach ihr. Er verzehrte sich danach, Teil ihres Lebens, ihrer
Welt zu sein. Er sehnte sich danach, sich ihr hinzugeben, wie er es noch nie
bei einer Frau getan hatte. Und er sehnte sich nach ihrem Vertrauen, nach ihrer
Bereitschaft, sich ihm hinzugeben.
    Er
sehnte sich nach ihrer Vergebung, obwohl er wusste, dass es ihrer Meinung nach
nichts zu vergeben gab. Er sehnte sich danach, alles wieder gutmachen zu
können.
    Er
sollte sie in Ruhe lassen.
    Aber
manchmal war der Selbstsucht schwer beizukommen. Und vielleicht war es nicht
nur reine Selbstsucht, die ihn veranlasste, ihr zu folgen. Vielleicht konnte er
ihr weitab vom Haus, in der Schönheit einer Mondnacht, auf einer Ebene
begegnen, die anders war als alle, die sie bisher hier auf Newbury gefunden
hatten. Vielleicht konnten einige der Hindernisse, die sie seit Lilys Ankunft
auf Newbury voneinander fern gehalten hatten - und besonders seit jenem
bestimmten Nachmittag - aus dem Weg geräumt werden. Ihr morgendliches
Zusammentreffen hatte in gewisser Hinsicht Anlass zur Hoffnung gegeben.
Vielleicht ...
    Vielleicht
suchte er nur nach einer Entschuldigung - nach irgendeiner Entschuldigung
-, um das zu tun, was er tun wollte. Er befand sich bereits in seinem
Ankleidezimmer und zog die Reitsachen an, die ihm sein Kammerdiener für den
kommenden Morgen herausgelegt hatte.
    Er
folgte ihr.
    Und
wenn er nur auf ihre Sicherheit achten konnte und dafür sorgen, dass ihr nichts
zustieß.
    ***
    Seit dem
Nachmittagspicknick war Lily nur einmal frühmorgens im strömenden Regen draußen
am Strand gewesen. Nach ihrer Rückkehr war sie von Dolly gründlich
ausgeschimpft worden, die düster vorausgesagt hatte, dass Ihre Ladyschaft sich
noch den Tod holen würde, selbst wenn sie den geliehenen Umhang mit der Kapuze
über dem Kopf getragen hätte. Lily war am Strand gewesen, aber sie war nie
wieder das Tal hinauf zum Teich und zur Hütte
    gegangen.
    Dies
war eindeutig einer der schönen Plätze dieser Erde und sie hatte ihn verdorben,
als sie in Panik geriet, weil Neville sie geküsst hatte. Sie hatte sich
geweigert, Schönheit und Frieden und Güte zu vertrauen, und war dafür bestraft
worden. Sie hatte sich seit jenem Nachmittag nicht in der Lage gesehen, zu
jener Zufriedenheit zurückzufinden, die sie fast immer in den unterschiedlichen
Umgebungen und Situationen ihres Lebens begleitet hatte. Sie war ängstlich
geworden. Sie hatte angefangen, Männer - oder vielleicht auch Frauen -
in dunklen Mänteln zu sehen, die ihr nachstellten. Es gefiel ihr nicht, so
schwach zu sein.
    Der
Abend war für sie eine große Belastung gewesen. Nicht, dass die Anzahl der
Gäste sie überwältigt hätte. Noch war irgendjemand unfreundlich oder gar
missbilligend gewesen. Es war nicht einmal so, dass sie sich deplatziert
vorgekommen wäre. Es war nur, dass sie an diesem Abend, nach einer Woche auf
Newbury Abbey, zu einer furchtbaren Erkenntnis gelangt war: dass dieser Abend
das Muster

Weitere Kostenlose Bücher