01 - Nacht der Verzückung
Geschenk.
Sie
nickte. Auch er war Teil davon, herrlich in seiner Nacktheit, nachdem er das
letzte Kleidungsstück fallen gelassen hatte. Sie betrachteten sich gegenseitig
mit aufrichtiger Achtung und - o ja, mit aufkeimendem Verlangen, Hunger,
Sehnsucht. Aber da war mehr als nur das. Da waren die Bedürfnisse der Seele,
die gestillt werden wollten, und im Moment waren die von größerer Wichtigkeit
als die Begierden des Fleisches.
Davon
abgesehen, sie hatten die ganze Nacht ...
Er
drehte sich um und tauchte in den Teich - und kam prustend und den Kopf
schüttelnd wie ein nasser Hund wieder hoch. Seine Zähne blitzten im Mondlicht
weiß auf. Aber bevor er etwas sagen konnte, war auch Lily eingetaucht.
Das
Wasser war kalt. Betäubend, atemberaubend kalt. Und klar und süß und reinigend.
Es fühlte sich an, als ginge es ihr unter die Haut und beruhigte und reinigte
und erneuerte sie. Nun, da sie im Wasser war, sah sie, nachdem sie aufgetaucht
war und sich das Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte, dass es nicht länger
schwarz war, sondern in bewegtem Licht schillerte. Dunkelheit war nur eine
Wahrnehmung, erkannte sie erneut, was von einem Standpunkt aus gesehen dunkel
war, konnte von einem anderen aus hell sein.
Es war
kein großer Teich und nicht einmal besonders tief. Aber sie schwammen
minutenlang Seite an Seite und sagten nichts, weil nichts gesagt zu werden
brauchte. In der Nähe des Wasserfalls paddelten sie umher und streckten die
Hände aus, um die scharfen Nadeln aus Wasser zu spüren, das gegen ihre Finger
und Handflächen hämmerte. Das Wasser war kalt, selbst nachdem sie sich daran
gewöhnt hatten.
»Warte
hier«, sagte er schließlich, setzte die Hände aufs Ufer und hob sich mit einer
geschmeidigen Bewegung aus dem Wasser.
Lily
ließ sich gemütlich auf dem Rücken durchs Wasser gleiten, bis er, eingehüllt in
ein Handtuch, weitere über den Arm gelegt, aus der Hütte zurückkehrte. Er
reichte ihr eine Hand, half ihr hinaus und wickelte dann ein großes Handtuch um
ihren zitternden Körper. Er presste ihr das überschüssige Wasser aus dem Haar,
bevor er ihr das andere Handtuch gab, damit sie es wie einen Turban um den Kopf
wickelte.
»Wir
könnten in der Hütte ein Feuer anzünden«, schlug er vor, »wenn du noch einmal
dort hineingehen möchtest, Lily. Vor mir brauchst du keine Angst zu haben. Ich
werde dich ohne dein Einverständnis nicht berühren. Ist die Aussicht auf Wärme
nicht verlockend?«
ja, das
war es. Aber noch verlockender war der Gedanke, diese Nacht der Magie zu
verlängern, diese Nacht, in der sie sich einreden konnte, dass alle Probleme
des Lebens für alle Zeiten gelöst waren. Sie wusste, dass das Leben niemals so
einfach war, aber sie wusste auch, dass Zeiten wie diese nötig waren, Balsam
für die Seele.
In
einer Nacht wie dieser konnte aus Liebe alles entstehen. Liebe konnte nicht
immer so sein, aber es gab kostbare Zeiten wie diese, die man nicht ungenutzt
verstreichen lassen durfte.
Außerdem
stellte die Hütte die einzige verbliebene Furcht dar, die noch überwunden
werden musste.
Sie
lächelte. »Ja«, sagte sie. »Ich habe keine Angst. Wie könnte ich auch, nach all
dem hier?« Sie deutete mit einer Hand auf ihre Umgebung. Sie wusste, dass er
verstehen würde. Er war mit ihr zu einem Teil dessen geworden. »Ich möchte
hineingehen. Mit dir.«
***
Er musste sich sehr
gut in der Hütte auskennen, dachte Lily. Er hatte in der Dunkelheit die
Handtücher gefunden und jetzt brauchte er nur wenige Sekunden, um Kerzen und
Zunderbüchse zu finden und die Behaglichkeit von Kerzenlicht ins Wohnzimmer zu
zaubern. Während Lily sich Hemd und Kleid anzog, kniete er sich hin und
entzündete das Feuerholz, das schon im Kamin bereitlag. Der Raum wurde noch
heller und das angenehme Aroma brennenden Holzes verbreitete sich. Beinahe
augenblicklich war ein Hauch von Wärme zu spüren.
Die
letzten Überbleibsel von Furcht verschwanden.
Nachdem
er sich angezogen hatte - diesmal ohne Weste und Jacke -setzte er
sich in einen Sessel neben dem Kamin, während Lily auf dem Boden nahe am Feuer
saß, die Knie angezogen und das Haar über eine Schulter gelegt, damit es in der
Hitze trocknete. Sie fühlte sich an das gelöste, formlose Leben eines
Armeelagers erinnert, obwohl sie niemals so mit ihm zusammengesessen hatte -
zwischen ihrem Vater und Major Lord Newbury hatte eine zu große
gesellschaftliche Kluft bestanden.
»Nach
dem Tod deines Vaters«, sagte er und es schien, als befände
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