01 - Nicht ohne meine Tochter
war so weit weg! War sie bei Mammal und Nasserine? Ich hoffte nicht. Ich hoffte, dass sie bei jemandem war, den sie kannte und mochte, jemanden, der sie lieb hatte. War sie vielleicht bei Ameh Bozorg? Bei der Frage lief mir ein Schauer über den Rücken. Oh, wie ich um mein Kind weinte!
Allein in der Wohnung, tagsüber in Einzelhaft gehalten, verzweifelt auf Nachricht von Mahtab wartend, machte ich mir Sorgen um meine geistige Gesundheit. In Tränen aufgelöst aus Enttäuschung und Schmerz, tat ich das, was ich Mahtab zu tun geraten hatte: Wenn du meinst, dass du ganz allein bist, kannst du immer beten. Du bist nie wirklich allein. Ich schloss meine Augen und versuchte es. Lieber Gott, hilf mir!, begann ich..., aber ich war geistig erschöpft, meine Gedanken schweiften ab und stürzten mich plötzlich in tiefe Schuldgefühle. Jahrelang hatte ich die Religion vernachlässigt, und erst jetzt, als ich in einem fremden Land gefangen war, bat ich meinen Gott um Hilfe. Warum sollte er mich jetzt erhören? Ich versuchte es nochmal. Ich betete nicht länger, dass Mahtab und ich einen Weg fänden, um gemeinsam nach Amerika zurückkehren zu können. Ich betete nur darum, mit meiner Tochter vereint zu sein. Lieber Gott , sagte ich, hilf mir, Mahtab wiederzubekommen. Beschütze sie und tröste sie. Lass sie wissen, dass du sie liebst, dass du für sie da bist, und dass ich sie lieb habe. Hilf mir, sie irgendwie wiederzubekommen.
Etwas - jemand? - befahl mir, die Augen aufzumachen. Ich hörte tatsächlich eine Stimme, oder doch nicht? Erschrocken blickte ich auf und sah Moodys Aktenkoffer in einer Ecke des Zimmers auf dem Boden stehen. Normalerweise nahm er ihn mit, aber heute hatte er ihn entweder vergessen oder einfach zu Hause gelassen. Neugierig ging ich hin und untersuchte ihn. Ich hatte keine Ahnung, was er darin hatte, aber vielleicht fand ich dort etwas, das mir helfen konnte. Einen Schlüssel vielleicht? Der Aktenkoffer war mit einem Kombinationsschloss verschlossen. Moody hatte die Zahlenkombination selbst festgelegt, und mir war die Reihenfolge der Zahlen, die den Koffer öffnete, nie bekannt gewesen. »Ich werde mit Null, Null, Null anfangen.«, murmelte ich bei mir. Was hatte ich auch sonst schon zu tun? Ich trug den Koffer in Mammals und Nasserines Schlafzimmer, wo ich durch das vordere Fenster hören konnte, ob sich jemand dem Haus näherte. Ich saß auf dem Boden und drehte die Rädchen des Schlosses auf 0-0-0. Ich drückte die Knöpfe. Nichts passierte. Ich drehte die Kombination auf 0-0-1 und versuchte es wieder. Wieder nichts. Mit einem Ohr auf die Stimmen auf der Straße lauschend, um zu hören, wenn Moody zurückkehrte, arbeitete ich systematisch weiter: 0-0-3, 0-0-4, 0-0-5. Ich machte immer weiter, die Wiederholung des Vorgangs half mir, die trübsinnige Zeit zu vertreiben, förderte aber auch einen gewissen Pessimismus. Ich erreichte 1-0-0 ohne Erfolg. Ich machte weiter. Das Unternehmen erschien mittlerweile sinnlos: Wahrscheinlich War sowieso nichts im Aktenkoffer, was ich gebrauchen konnte. Aber ich hatte noch Tausende von Kombinationen vor mir und nichts, womit ich mir sonst die Zeit hätte vertreiben können.
Ich erreichte 1-1-4. Nichts. 1-1-5. Nichts. Warum machte ich mir die Mühe? 1-1-6. Nichts. Was, wenn Moody leise heimkam, sich hereinschlich und mich dabei erwischte, wie ich versuchte in seinen Privatsachen herumzustöbern? Ich drehte die Rädchen auf 1-1-7 und drückte pessimistisch auf die Knöpfe. Beide Schlösser sprangen auf! Ich hob den Deckel hoch und schnappte vor Freude nach Luft. Da war das Telefon, ein Trimline-Tastentelefon, das beim Wählen Töne erzeugte und viel technischen Schnickschnack hatte. Mammal hatte es auf einer Reise nach Deutschland gekauft. Am Ende des Kabels befand sich ein Verbindungsstück, das wie ein zweidorniger elektrischer Stecker aussah. Damit konnte es ans Telefonnetz angeschlossen werden.
Ich lief zum Anschluss, blieb aber sofort wieder stehen. Essey war zu Hause, sie war genau unter mir. Ich konnte sie geschäftig hin und her eilen und konnte das Baby quengeln hören. Und ich wusste, dass dieses verdammte Telefonsystem Pfusch war. Jedesmal, wenn auf dem Telefon oben jemand eine Nummer wählte, klingelte das Telefon unten ein paar Mal leise. Essey würde sofort wissen, dass ich telefonierte. Konnte ich das riskieren? Nein, sie hatte ihre Unterordnung schon deutlich genug gezeigt. Sie war nicht damit einverstanden, was Moody tat, aber
Weitere Kostenlose Bücher