01 - Nicht ohne meine Tochter
zuvor. Nach außen hin schien er beruhigt, als hätte seine Persönlichkeit sich stabilisiert. In seinen Augen allerdings konnte ich die Anzeichen für größeren Ärger sehen. Er war hauptsächlich mit dem Thema Geld beschäftigt. »Ich werde im Krankenhaus immer noch nicht bezahlt.«, beschwerte er sich. »Die ganze Arbeit ist unentgeltlich.« »Das ist doch lächerlich.«, sagte ich. »Es ist kaum zu glauben. Woher hast du dann Geld?« »Das Geld, von dem wir jetzt leben, borge ich von Mammal.« Ich glaubte ihm immer noch nicht. Ich war überzeugt, er wolle mich glauben machen, dass er kein Geld hatte, damit es so aussah, als gäbe es keine Möglichkeit, unsere Lebensumstände zu ändern.
Aber aus einem unerfindlichen Grund verlagerte Moody allmählich das Ziel seiner Wutausbrüche. Er fing an, Mahtab fast jeden Abend nach Hause zu bringen, außer wenn er nachts Bereitschaftsdienst hatte. Nach ein oder zwei Wochen erlaubte er Mahtab dann, gelegentlich auch tagsüber bei mir zu bleiben, wenn er arbeitete, allerdings nicht ohne unsere Gefangenschaft mit dem Geräusch des zugeschobenen Riegels zu betonen, wenn er die Tür doppelt hinter sich abschloss.
Dann, eines Morgens, ging er wie immer weg, und ich wartete auf das bekannte Geräusch des Riegels, aber es kam nicht. Seine Schritte verhallten, als er das Haus verließ. Ich rannte zum Schlafzimmerfenster und sah, wie er die Gasse hinunterging. Hatte er vergessen, uns einzuschließen? Oder war das ein Test? Ich beschloss, Letzteres anzunehmen. Mahtab und ich blieben in der Wohnung, bis er einige Stunden später zurückkam und dann viel besser aufgelegt schien als vorher. Es war ein Test gewesen, davon war ich überzeugt. Wahrscheinlich hatte er die Wohnung beobachtet - oder einen Spion engagiert -, und wir hatten uns als vertrauenswürdig erwiesen.
Moody sprach jetzt öfter und leidenschaftlicher von uns dreien als Familie und versuchte, uns als Schild gegen die Angriffe der Welt zusammenzuziehen. Als die Tage langsam in Wochen übergingen, wurde ich immer zuversichtlicher, dass er mir Mahtab ganz wiedergeben würde. Mahtab veränderte sich auch. Zuerst sprach sie nur widerwillig über die Einzelheiten ihrer Trennung von mir. »Hast du viel geweint?«, fragte ich. »Hast du Daddy gebeten, dich zurückzubringen?« »Nein.«, sagte sie mit leiser, ängstlicher Stimme. »Ich habe ihn nicht darum gebeten. Ich habe nicht mit den Leuten gesprochen. Ich habe nicht gespielt. Ich habe überhaupt nichts getan.« Es bedurfte mehrerer eindringlichere Gespräche, um sie dazu zu bewegen, ihren Panzer wenigstens vor mir abzulegen. Schließlich erfuhr ich, dass sie zahlreichen Kreuzverhören ausgesetzt worden war, besonders durch Malouk, der Frau von Moodys Neffen. Sie hatte sie gefragt, ob ihre Mommy sie jemals mit zur Botschaft genommen hätte, oder ob sie versucht hätte, das Land zu verlassen. Aber Mahtab hatte immer nur »Nein.« geantwortet.
»Mommy, ich habe wirklich versucht, wegzulaufen.«, sagte sie, als wenn ich wütend auf sie gewesen wäre, weil sie es nicht geschafft hatte, zu fliehen. »Ich kannte den Weg zurück von Malouks Haus. Manchmal, wenn ich mit Malouk Gemüse oder sonst etwas eingekauft habe, wollte ich wegrennen und zurückkommen, um dich zu suchen.« Wie dankbar ich war, dass ihr die Flucht nicht gelungen war. Die Vorstellung, sie allein auf den vollen Straßen von Teheran zu wissen, mit dem dichten Verkehr und den unvorsichtigen Fahrern, mit der herzlosen, bösartigen, misstrauischen Polizei, war einfach schrecklich. Sie war natürlich nicht weggerannt. Sie hatte nichts getan. Und das war die Veränderung, die in Mahtab vorgegangen war. Gegen ihren Willen passte sie sich an. Schmerz und Angst waren für sie zu viel geworden. Sie war unglücklich kränklich, verzagt - und geschlagen.
Diese beiden Persönlichkeitsveränderungen brachten eine dritte mit sich, und zwar bei mir. Während der langen Tage, die ich immer noch größtenteils eingeschlossen in Mammals Wohnung verbrachte, konnte ich viel nachdenken. Ich formulierte meine Gedanken zu logischen Argumenten, analysierte und plante strategischer als zuvor. Es war eine unumstößliche Tatsache, dass ich mich nie an das Leben im Iran gewöhnen würde. Es stand für mich ebenso fest, nicht mehr darauf vertrauen zu können, dass Moodys zerrütteter Geist jemals wieder gesund werden würde. Im Augenblick ging es ihm zwar besser, er war vernünftiger, weniger bedrohlich, aber ich konnte mich
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