01 - Nicht ohne meine Tochter
nur den kurzen Weg zu den Märkten zu laufen. Außerdem wollte ich nicht gesehen werden. Selbst unter dem Rusari guckten noch genug peinliche blaue Flecken hervor. Mahtab zog sich noch weiter von ihrem Vater zurück. Jeden Abend weinte sie sich in den Schlaf.
Die Tage vergingen, das Verhältnis zwischen uns blieb gespannt. Moody blieb mürrisch und herrisch, Mahtab und ich lebten in ständiger Furcht - die Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit unserer Lage waren immer schwerer zu ertragen. Seine brutalen Schläge machten die Risiken deutlich, die uns bevorstanden. Meine Verletzungen waren der Beweis, dass Moody tatsächlich wahnsinnig genug war, mich - uns - umzubringen, wenn irgendwas seinen Jähzorn auslöste. Meine vagen Freiheitspläne zu verfolgen, bedeutete, dass ich unsere Sicherheit zunehmend gefährden musste. Unser Leben hing von Moodys Launen ab.
Immer wenn ich es für nötig hielt, mich mit ihm zu beschäftigen, mit ihm zu sprechen, ihn anzusehen, an ihn zu denken, tat ich es mit Entschlossenheit. Ich kannte diesen Mann zu gut. Jahrelang hatte ich zugeschaut, wie sich der Schatten des Wahnsinns über ihn senkte. Ich versuchte, mir nicht den Luxus des »Hab ich es doch gewusst« zu gestatten, denn das löste nur lähmendes Selbstmitleid aus, aber dass ich die Vergangenheit an mir vorüberziehen ließ, war unvermeidlich. Wenn ich nur früher auf meine Ängste gehört hätte, bevor wir in das Flugzeug nach Teheran gestiegen waren. Wenn ich daran dachte - und das geschah oft -, hatte ich noch mehr als zuvor das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Ich konnte die Gründe aufzählen, weswegen wir gekommen waren - finanzielle, rechtliche, emotionale und sogar medizinische. Aber sie liefen alle auf dasselbe hinaus: Ich hatte Mahtab in den Iran gebracht, um ihr die Freiheit zu sichern, und die Ironie dabei war jetzt nur allzu offensichtlich.
Konnte ich mich dem Leben im Iran fügen, um Mahtab außer Gefahr zu halten? Kaum. Es war mir gleichgültig, wie zuvorkommend und versöhnlich Moody von Zeit zu Zeit sein mochte. Ich wusste, dass der Wahnsinn unausweichlich periodisch wieder hervortreten würde. Um Mahtabs Leben zu retten, würde ich es aufs Spiel setzen müssen, obgleich mir erst jüngst demonstriert worden war, wie ernst dieses Risiko zu nehmen war. Weit entfernt davon, meinen Willen zu brechen, hatte Moodys Jähzorn ihn letztlich gestählt. Trotz der Harmlosigkeit meiner alltäglichen Aufgaben war jeder meiner Gedanken und Taten auf ein einziges Ziel ausgerichtet. Mahtab bestärkte mich in meinem Vorhaben. Wenn wir allein im Bad waren, schluchzte sie leise und bettelte, ich möge sie von ihrem Daddy weg heim nach Amerika bringen. »Ich weiß, wie wir nach Amerika können.«, sagte sie eines Tages. »Wenn Daddy schläft, können wir uns davonschleichen, zum Flughafen fahren und in ein Flugzeug steigen.« Das Leben kann für eine Fünfjährige so einfach sein. Und so kompliziert. Unsere Gebete wurden inbrünstiger. Obwohl ich viele Jahre lang nicht regelmäßig in die Kirche gegangen war, hatte ich einen festen Glauben an Gott bewahrt. Ich konnte nicht begreifen, warum er uns diese Last auferlegt hatte, aber ich wusste, wir würden sie ohne seine Hilfe nicht von unseren Schultern heben können.
Etwas Hilfe kam von Hamid, dem Besitzer des Herrenbekleidungsgeschäfts. Als ich zum ersten Mal nach den Schlägen sein Geschäft betrat, fragte er: »Was war mit Ihnen?« Ich berichtete es ihm. »Er muss verrückt sein.« Er sprach langsam, überlegt. »Wo wohnen Sie? Ich könnte jemanden vorbeischicken, der sich seiner annimmt.« Das war eine erwägenswerte Alternative, aber bei sorgfältigerem Nachdenken wurde uns beiden klar, dass Moody dann bemerken würde, dass ich heimlich Freunde hatte. Als es mir wieder besser ging und ich mich häufiger hinauswagte, nutzte ich jede Gelegenheit, um bei Hamid vorbeizugehen, Helen in der Botschaft anzurufen und meine Notlage mit meinem neuentdeckten Freund durchzusprechen.
Hamid war ein ehemaliger Offizier aus der Armee des Schah, der sich jetzt sorgfältig verbergen musste. »Die Menschen im Iran wollten eine Revolution.«, berichtete er mir ruhig. »Aber dies,« -er zeigte auf die Horde freudloser Iraner, die durch die Straßen der islamischen Republik des Ayatollah huschten - »dies ist nicht das, was wir wollten.« Hamid war auch dabei, für sich und seine Familie einen Weg zur Flucht aus dem Iran zu suchen. Es gab vorher eine Menge Dinge zu erledigen. Er
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