01 - Nicht ohne meine Tochter
die Beobachter, die sich im Zimmer drängten, in triumphierendes Geschrei aus. Die Wache am Krankenbett dauerte die ganze Nacht und den nächsten Tag lang. Mehrmals steckte Baba Hadschi den Kopf durch die Tür, verbrachte aber die meiste Zeit im Gebet und damit, den Koran zu lesen. Moody, Mahtab und ich wurden immer ungeduldiger mit Ameh Bozorg, die offensichtlich simulierte. Mahtab und ich wollten gehen, aber Moody war wieder einmal zwischen dem Respekt seiner Familie gegenüber und seinem gesunden Menschenverstand hin und her gerissen. Ameh Bozorg blieb den ganzen Freitagabend, an dem wir eigentlich woanders sein wollten, auf ihrem Totenbett liegen. Dann erhob sie sich von ihrem Lager, ließ ihren Dank allein Allah zuteil werden und verkündete, sie würde sofort eine Pilgerreise in die heilige Stadt Meschad im nordöstlichen Teil des Landes machen, wo es eine besonders berühmte Masdsched gab, die für ihre heilenden Kräfte bekannt war. Am Samstag begleitete die Sippe eine bemerkenswert muntere Ameh Bozorg zum Flughafen. Die Frauen weinten vor Kummer, die Männer ließen ihre Gebetsperlen durch die Finger gleiten und beteten für ein Wunder. Moody spielte das Spiel mit, erfüllte seine Pflicht, aber sobald wir allein waren, brummte er zu mir: »Das spielt sich alles nur in ihrem Kopf ab.«
Der Oktober ging in den November über. Der morgendliche Frost verhieß uns in der ungenügend geheizten Wohnung, dass der Teheraner Winter genauso bitter werden würde, wie der Sommer sengend heiß gewesen war. Wir waren natürlich hierhergekommen, ohne auf den Winter vorbereitet zu sein, und besonders Mahtab brauchte jetzt einen Wintermantel. Zu meiner Überraschung war Moody gegen den Kauf, und ich kam zu dem Schluss, dass er vermutlich große Geldsorgen hatte.
Der Plan mit meinem Bruder Jim schlug fehl. Zwei Wochen, nachdem ich Judy die Briefe mitgegeben hatte, rief er bei Mammal an und folgte genau meinen Instruktionen. Er erklärte Moody, dass Dad sehr krank sei, und dass die Familie das Geld aufgebracht hätte, um uns den Flug nach Hause zu bezahlen. »Willst du, dass ich euch die Tickets schicke?«, fragte er. »Welches Datum soll ich eintragen?« »Das ist ein Trick!«, schrie Moody ins Telefon. »Sie wird nicht nach Hause fliegen. Ich lasse sie nicht gehen.« Er knallte den Hörer auf die Gabel und ließ seine Wut an mir aus.
Wir stritten heftig um Geld. Aus Raschids Job-Angebot bei der Klinik war nichts geworden. Ich hatte sowieso den Verdacht, dass das nur Ta'arof gewesen war. Jedenfalls war Moodys Zulassungsverfahren noch in der Schwebe, und er behauptete, es wäre meine Schuld, dass er nicht arbeiten konnte. »Ich muss ja zu Hause bleiben, um auf dich aufzupassen.«, sagte er, und seine Nörgeleien wurden immer unlogischer. »Ich brauche einen Babysitter für dich. Ich habe deinetwegen ja überhaupt keine Bewegungsfreiheit. Der CIA ist hinter mir her, weil du irgendetwas unternommen hast, damit deine Leute dich und Mahtab suchen.« »Was bringt dich auf die Idee, dass meine Leute mich suchen?«, fragte ich. Er antwortete mit einem Blick, der Bände sprach. Wie viel wusste er?, fragte ich mich. Mir war bekannt, dass die Botschaft sich meinetwegen mit ihm in Verbindung gesetzt hatte, aber er wusste nicht, dass ich es wusste. Oder vielleicht doch? Mir war klar, er hatte genug eigene Schwierigkeiten. Wie weit konnte er mir trauen?, wollte er wissen. Wann, wenn überhaupt jemals, konnte er sicher sein, dass ich nicht mehr versuchen würde, auf irgendeine Art zu gehen? Wann würde er mich endgültig unterworfen haben?
Moody hatte mich bedroht und mich überlistet, in den Iran zu kommen. Nun wusste er nicht, was er mit mir anfangen sollte. »Ich möchte, dass du einen Brief in die USA schreibst.«, sagte er. »An deine Eltern. Sag ihnen, dass sie alle unsere Sachen per Schiff hierher schicken sollen.« Es war schwer, diesen Brief aufzusetzen, besonders, weil Moody mir bei jedem Wort über die Schulter sah. Aber ich fügte mich seinen Anordnungen, in der sicheren Gewissheit, dass meine Eltern Moodys Forderungen sowieso nicht erfüllen würden. Als das erledigt war, erlaubte Moody endlich, dass wir einen Mantel für Mahtab kauften. Nasserine und Amir sollten uns beim Einkaufen begleiten. Moody beschloss, zu Hause zu bleiben, da er wusste, dass Nasserine eine zuverlässige Spionin und Aufpasserin war. Er schlurfte ins Schlafzimmer, um sich ein Nachmittagsnickerchen zu gönnen. Wir machten uns zum
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