01 - Nicht ohne meine Tochter
die Legende behauptete? Es schien mir unwahrscheinlich, dass amerikanische Agenten viel im Iran ausrichten konnten.
Die eigenen Agenten des Ayatollah, die Soldaten, die Polizei und die Pasdaran waren überall. Wie die meisten behüteten Amerikaner, hatte ich die Macht meiner Regierung bei der Auseinandersetzung mit einem fanatischen fremden Regime überschätzt. Wahrscheinlicher war es meiner Meinung nach, dass die Frau durch Judy oder den Händler Hamid über meine Notlage unterrichtet worden war. Ich hatte keine Möglichkeit, das herauszufinden; alles, was ich tun konnte, war abwarten und sehen, was sich als nächstes ereignete. Die Ungewissheit brachte psychischen Druck, aber auch Aufregung mit sich. Zum ersten Mal konnte ich sehen, dass meine breitangelegte Strategie funktionierte. Ich würde tun, was immer ich nur konnte, und früher oder später würde ich die richtigen Leute finden, die mir halfen. Die ganze Zeit, das war mir klar, würde ich vorsichtig meine Bemühungen vor Moodys allgegenwärtiger Überwachung verheimlichen müssen.
Eines Tages schlüpfte ich, als ich auf dem Markt einkaufte, schnell in Hamids Laden, um Raschid, Judys Freund anzurufen, der versprochen hatte, sich mit dem Mann in Verbindung zu setzen, der die Menschen in die Türkei schmuggelte. »Er kann keine Kinder mitnehmen.«, sagte Raschid. »Lassen Sie mich bitte mit ihm sprechen.«, bettelte ich. »Ich kann Mahtab tragen. Das ist überhaupt kein Problem.« »Nein. Er hat gesagt, er würde nicht mal Sie allein, eine Frau, mitnehmen. Es ist schon für Männer schwierig genug. Auf dem Weg, den er benutzt, muss man vier Tage durch die Berge laufen. Es besteht keine Möglichkeit, das mit einem Kind zu schaffen.« »Ich bin ziemlich kräftig.«, sagte ich und glaubte meiner Lüge selbst nur halb. »Ich bin gut in Form. Ich kann sie den ganzen Weg tragen. Das ist wirklich kein Problem. Lassen Sie mich wenigstens mit diesem Mann sprechen.« »Es würde jetzt nichts nützen. In den Bergen liegt Schnee. Während des Winters kommen Sie sowieso nicht in die Türkei hinüber.«
Als der Dezember zur Neige ging, gab Moody mir Anweisungen, die herannahenden Weihnachtsfeiertage zu ignorieren. Er wollte mir nicht erlauben, für Mahtab Geschenke zu kaufen oder sonst auf irgendeine Weise zu feiern. Niemand von unseren Bekannten im Iran erkannte Weihnachten als Festtag an. Der Winter brach von den nahegelegenen Bergen über Teheran herein. Kalte Winde wirbelten Schneemassen umher, die zu Verwehungen führten. Vereiste Straßen erhöhten die Zahl der Unfälle, die den endlosen Verkehr zum Stocken brachten, aber sie bewirkten weder eine Verringerung der Geschwindigkeit, noch konnten sie die erhitzten Gemüter der Fahrer abkühlen.
Moody bekam eine Erkältung. Eines Morgens wachte er zwar rechtzeitig auf, um uns zur Schule zu bringen, stöhnte aber vor Anstrengung, als er sich aus dem Bett quälte. »Du hast Fieber.«, sagte ich und fühlte seine Stirn. »Die Kälte...«, knurrte er. »Hätten wir bloß unsere Wintermäntel. Deine Eltern sollten eigentlich so vernünftig sein, sie uns zu schicken.« Ich ignorierte diese lächerliche, selbstsüchtige Klage, weil ich ausgerechnet an diesem Morgen keinen Streit anfangen wollte, an dem ich eine Gelegenheit witterte, meine Situation zu verbessern. Während ich Mahtabs Haar bürstete, sagte ich, und versuchte dabei möglichst nüchtern zu klingen: »Es ist schon in Ordnung. Wir können auch allein zur Schule gehen.« Moody fühlte sich zu elend, um misstrauisch zu werden, aber er glaubte nicht, dass ich die Aufgabe allein bewältigen konnte. »Du weißt ja gar nicht, wie du allein ein Taxi bekommen sollst.«, sagte er. »Doch, das kann ich. Ich habe dich ja jeden Tag beobachtet.« Ich erklärte ihm, dass ich zur Schariati-Straße gehen und »Seda Zafar!« schreien würde, was bedeutet, dass wir ein Taxi wollten, das Richtung Zafar-Straße fuhr. »Du musst aber beharrlich sein.«, sagte Moody. »Ich kann hartnäckig sein.« »In Ordnung.« Er willigte ein und rollte sich zur Seite, um weiterzuschlafen.
In der Morgenluft lag ein eisiger Hauch, aber das machte mir nichts aus. Es dauerte ziemlich lange, bis ein Taxi für uns anhielt. Schließlich musste ich beinahe mein Leben riskieren, indem ich einem fast vor die Räder sprang, aber ich hatte das Gefühl, es geschafft zu haben. Ja, ich konnte mich in Teheran zurechtfinden, und das war ein Schritt in die Dichtung, aus der Stadt hinauszufinden,
Weitere Kostenlose Bücher