01 - Nicht ohne meine Tochter
gelangen.
Später am gleichen Morgen rief Ellen Moody zu Hause an und fragte, ob Mahtab und ich mit ihr nachmittags einkaufen gehen dürften. Sie würde uns von der Schule abholen, wir würden zusammen bei ihr zu Mittag essen, und dann würden wir Frühlingskleider einkaufen. Moody sagte ja! Nun versuchte Ellen den zweiten Teil unseres Plans. Das Telefon klingelte im Sekretariat der Schule, und eine der Bürokräfte reichte den Hörer an Khanom Schahien weiter. Sie sprach Farsi, aber da sie den Namen Betty mehrmals erwähnte, wusste ich, dass sie mit Ellen sprach. Das war ein Test, um zu sehen, ob Khanom Schahien mir gestatten würde, einen Anruf entgegenzunehmen. Das tat sie nicht. Ellen musste Moody noch einmal anrufen, damit er die Schule anrief und ihnen gestattete, mich telefonieren zu lassen. Schließlich waren wir verbunden. »Alles klar.«, sagte Ellen mit merklich zitternder Stimme. »Ich hole euch von der Schule ab.« »Gut.«, sagte ich. Dann fügte ich hinzu: »Ist irgendwas nicht in Ordnung?«»Nein.«, sagte Ellen in scharfem Ton. Fünfzehn Minuten vergingen, und dann rief Ellen noch einmal an. »Ich habe schon Moody angerufen und ihm mitgeteilt, dass mir etwas dazwischengekommen ist. Ich kann es heute Nachmittag doch nicht schaffen.« »Was ist passiert?« »Ich habe meine Meinung geändert. Ich muss mit dir darüber reden.« Ich war wütend auf Ellen und musste unbedingt in die Botschaft, aber ohne die Sicherheit, dass Ellen mich decken würde, wagte ich das nicht. Was war da schief gegangen? Wie konnte ich in die Botschaft kommen?
Am nächsten Tag ergab sich auch keine Gelegenheit, denn Moody hatte wieder frei, und er hatte miserable Laune. Er geleitete Mahtab und mich zur Schule und bellte uns ein paar Befehle zu, bevor er sich wieder auf den Weg machte. Wir sollten nicht allein nach Hause gehen, er würde uns mittags abholen. Aber der Mittag kam und ging ohne ein Zeichen von Moody. Als viele Minuten vergangen waren, warfen wir einander fragende, beunruhigte Blicke zu. Wurden wir geprüft? Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Eine volle Stunde verging, und Moody war immer noch nicht gekommen. »Wir sollten lieber nach Hause fahren.«, sagte ich zu Mahtab. Voller Sorge, dass irgendetwas vorgefallen war, was die ohnehin komplizierte Situation noch prekärer machen würde, verschwendeten wir keine Zeit mehr. Ich winkte ein oranges Taxi heran. Sowie es uns an unserer Haltestelle an der Schariati-Straße abgesetzt hatte, eilten wir nach Hause, ohne die geringste Abweichung von unserer Route zu riskieren. Vielleicht spionierte Moody uns nach.
Aber als wir zu Hause ankamen, fanden wir Moody weinend auf dem Fußboden in der Diele liegend. »Was ist passiert?«, fragte ich. »Nelufar.«, sagte Moody. »Sie ist bei sich zu Hause vom Balkon gefallen. Beeilt euch. Lasst uns gehen.« Nelufar war die neunzehn Monate alte Tochter von Baba Hadschi und Ameh Bozorgs zweitgeborenem Sohn Morteza und seiner Frau Nastaran. Sie war das süße kleine Kind, das versehentlich einen von Mahtabs Geburtstagskuchen kaputtgemacht hatte. Mit ihrem Kichern und ihrem munteren Babygeplapper war sie zu Mahtab und mir immer sehr lieb gewesen. Meine unmittelbare Reaktion war tiefe Sorgnis um ihre Gesundheit, aber schon bald ertönte in meinem Kopf eine Warnglocke. War dies eine Falle? Hatte Moody einen Plan ausgekocht, um uns irgendwohin zu verschleppen? Es blieb uns nichts anderes übrig, als ihn zu begleiten, wieder in die Schariati-Straße und in ein Taxi. Die Angst machte mich wachsam. Hatte Ellen Moody von unseren Geheimnissen erzählt? Hatte die Botschaft angerufen? Ließ er uns in einem anderen Versteck verschwinden, bevor wir Gelegenheit hatten, jemandem davon zu erzählen?
Wir mussten zweimal das Taxi wechseln, und während wir dahinrasten, betete ich, Mahtab würde nicht zu erkennen geben, dass sie die Gegend kannte. Wir fuhren die verhältnismäßig vertraute Strecke, die zur US-Vertretung in der Schweizer Botschaft führte. In der Tat lag das Krankenhaus, das wir schließlich erreichten, beinahe gegenüber! Moody führte uns schnell in die Empfangshalle und fragte nach Nelufars Zimmernummer. Mit meinen mangelhaften Farsi-Kenntnissen bekam ich mit, dass es ein Problem gab und dass Moody seine Autorität als Arzt spielen ließ, um den Bürokratismus auszuschalten. Er blieb ein paar Minuten in ein wütendes Streitgespräch mit dem Portier verwickelt, bevor er erklärte. »Ihr dürft nicht mit hinein.
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