01 Nightfall - Schwingen der Nacht
Schläfen. Im Rachen roch und schmeckte er Blut. Sah, wie es ihm auf die Hand troff.
Verdammt. Nicht jetzt!
Dante legte den Kopf in den Nacken, gegen die Nackenstütze. Während die Minuten vergingen, ließ auch der Schmerz nach und drängte sich in den Hintergrund, hinter sein Bewusstsein. Der Van hielt an. Eine Hand berührte ihn am Knie.
»Alles in Ordnung?«
»Ja. Warum hast du angehalten?«
»Wir sind da.«
Dante hob den Kopf und sah an Lucien vorbei aus dem Fenster. Es schneite dicht und heftig. Undeutlich konnte er ein Bauwerk ausmachen, das in der Dunkelheit hinter der Wand aus Schnee stand. Licht fiel aus einigen Fenstern.
Er fasste in die Tasche seiner Jeans und holte die Schlüssel für die Handschellen heraus. Dann kletterte er zwischen die Vordersitze und beugte sich über Elroy, um ihn loszumachen. Er hörte, wie das Herz des Perversen zu rasen begann, und spürte, wie er erbebte. Dante drehte den Schlüssel im Schloss.
Die Handschellen lösten sich von dem Handgriff. »Ich sage dir, wie Ginas letzte Worte lauteten, wenn wir im Gebäude sind«, versprach Elroy und senkte den Arm, »und dann möge der bessere Bad-Seed-Bruder gewinnen.«
»Das ist kein verdammter Wettbewerb.« Dante glitt über ihn hinweg und öffnete die Tür. Eisige Luft und Schnee schlugen ihm entgegen, als er auf den Boden sprang. Der schneebedeckte Asphalt unter seinen Stiefeln fühlte sich unangenehm rutschig an.
Elroy zitterte, diesmal wohl vor Kälte, nicht vor Erregung.
Dante schob den Schlüssel wieder in die Tasche. »Steig aus. Wenn du fliehst, werde ich dich erwischen, und wenn ich dich erwische, bist du ein toter Mann.«
Der Sterbliche biss die Zähne zusammen, und seine Kiefermuskeln spannten sich an. Er sah weg, aber ehe er das tat, konnte Dante noch beobachten, wie ihm einen Augenblick lang die Maske entglitt. Er sah ein grinsendes Monster, dessen leere Augen jeden Schrei, jeden Schmerz in den Gesichtern seiner Opfer in sich aufgesogen und zutiefst genossen hatten.
Es war das Gesicht, das Dante gesehen hatte, als das Messer immer wieder in ihn gefahren war. Einen Augenblick lang sah er rot. Er packte Elroy am Kragen, riss ihn aus dem Auto und in den Schnee.
Der Mann traf mit der Schulter auf dem harten Boden auf und ächzte vor Schmerz.
Dante bückte sich, legte eine Hand um den Arm des Perversen und riss ihn auf die Beine. Wind fuhr ihm durchs Haar
und vereiste seine Haut, sein Gesicht. Er spürte Lucien hinter sich, dessen Anwesenheit etwas Wärmendes hatte.
Er dachte daran, wie Heather erklärt hatte, ihr Mörder müsse ein Sterblicher sein, denn die DNS an den Tatorten war die eines Menschen gewesen. Er erinnerte sich an Elroys Hände, die über seinen Körper gewandert waren, ihn begrapschten und befummelten. Er erinnerte sich an die Stichwunden in Ginas Körper und das Anarchiesymbol, das man ihr in die Innenseite des Schenkels geschnitten hatte.
»Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte er. »Du hast gelogen. Du hast Gina ermordet. Nicht Ronin.«
»Trotzdem kenne ich ihre letzten Worte«, presste Elroy zwischen klappernden Zähnen hervor.
»Nicht mehr lange.«
Dante stieß den Mann wieder auf den Boden und setzte sich auf ihn. Er drückte seinen Kopf zur Seite, beugte sich vor und versenkte die Fänge in den verletzten Hals des Monsters. Blut spritzte warm in seinen Mund. Elroy stöhnte.
Dante stürzte sich in sein Bewusstsein.
Die Gedanken und Erinnerungen des Perversen strömten wie eine schwarze, schmutzige Flut in Dantes Kopf – voll mit Leichen, ekelhaftem Sex und scharfen Klingen. Dante tauchte tiefer und suchte nach Gina.
Donner hallte durch die Luft. Donner oder ein Schuss.
»Ich biete Ihnen ein seltenes, unbezahlbares Geschenk«, sagte Johanna Moore. »Überlegen Sie, was Sie damit tun könnten. Wie viel Gerechtigkeit Sie walten lassen könnten.«
Heather behielt vorsichtshalber die Wand im Rücken und hatte den Blick starr auf die Frau gerichtet. »Wenn ich Nein sage, bekomme ich das weniger seltene Geschenk einer Kugel im Kopf, nehme ich an.«
Moore zuckte entschuldigend die Achseln. »Mir wird keine andere Wahl bleiben.«
»Rechtfertigen Sie so, was Sie tun?«, fragte Heather. Wieder schätzte sie unauffällig die Entfernung von ihrem Standpunkt bis zur Tür ab. »Glauben Sie, Sie helfen der Gesellschaft, indem Sie Mütter umbringen und ihre Kinder zu Mördern machen?«
»Ah, Stearns hat Ihnen die Akte zu lesen gegeben.« In Moores Augen zeigte sich Bedauern. »Dann
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