01 Nightfall - Schwingen der Nacht
flammendrotes Haar über den Himmel wehen. Dantes schwarze Strähnen wickelten sich um ihre flatternden Locken.
Ein Lied erklang in ihr, pulsierte durch sie hindurch, in sie hinein – düster intensiv und pochend. Es loderte in ihrem Herzen und ihrer Seele: Dantes Lied.
Ich komme dich holen, chérie .
Ich werde hier sein, Dante. Genau hier.
Pssst. Je suis ici.
Sie hörte Flügel rauschen.
Heather schlug die Augen auf. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Sie lehnte sich an die Wand hinter ihr und holte tief Luft, wobei sie merkte, dass ihr Kopf noch immer wehtat.
Ich komme dich holen, chérie .
Heather verschloss diese Worte in ihrem Herzen, um sie dort sicher aufzubewahren. Dante hatte zu ihr gesprochen . Sie wusste nicht, wie das möglich war. Vielleicht, weil er ihr Blut getrunken hatte und sie das miteinander verband. Oder vielleicht lag es auch einfach daran, dass sie – benebelt und benommen von den Medikamenten in ihrem Körper – eingedöst war. Aber ihre Intuition, ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass Dante tatsächlich auf dem Weg hierher war.
Sie schloss die Augen und lächelte. Ein Hoffnungsschimmer entzündete sich in ihr und wärmte sie von innen. Ihre Kopfschmerzen und ihre Erschöpfung ließen nach. Wenn Dante auf dem Weg zu ihr war, war er Jordan entkommen. Möglicherweise hatte De Noir ihn tatsächlich gefunden.
Ein Summen an der Tür ließ sie die Augen wieder öffnen. Die Tür schwang auf, und eine hochgewachsene Blondine trat ein. Dr. Johanna Moore. Sie trug ein europäisch anmutendes Tweedkostüm in einem tiefen Weinrot, während ihre Bluse so weiß wie die Wände des Raumes war, in dem sie sich befanden. In der rechten Hand hatte sie eine Schusswaffe, die sie auf den Boden richtete.
»Ich kenne Sie von der Akademie«, sagte Johanna Moore und gab sich Mühe, einen lockeren Plauderton anzuschlagen, als ob sie sich bei einem Geschäftsessen und nicht in einer Art Gummizelle befinden würden. »Ihre Anteilnahme für die Opfer hat mich damals überaus beeindruckt.«
Heather stand auf. Das Pochen in ihrem Kopf wurde stärker, als sie sich bewegte. »Wirklich? Ich bin überrascht, dass Sie wussten, wovon ich rede.« Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und sah Moore an. »Sind Sie gekommen, um selbst die Drecksarbeit zu erledigen?«, fragte sie und nickte in Richtung der Waffe.
Johanna Moores Lächeln wurde angestrengt. Einen Augenblick lang schien sich ihr Blick nach innen zu richten. »Falls
es so weit kommen sollte«, sagte sie sanft. »Wenn es Ihnen hilft, kann ich es hinterher auch bereuen.« Sie stand in einer Ecke des Raumes – wie ein Rosenblütenblatt im Schnee.
»Keineswegs«, antwortete Heather. »Bereuen Sie Rosa Bakers Tod? Oder wie sieht es mit den anderen Opfern des Cross-Country-Killers aus? Ich meine den Opfern Elroy Jordans.«
Moores blaue Augen begannen zu blitzen. »Klingt ganz so, als wollten Sie noch immer eine Stimme für die Opfer sein. Ich hatte mich schon gefragt, ob Sie diesen Enthusiasmus inzwischen verloren haben.«
»Das hat sich nie geändert.«
»Bei den meisten tut es das.«
»Was kümmert Sie das?« Heather warf einen Blick auf die Tür, schätzte die Entfernung ab. Fragte sich, wie viele Sekunden sie hätte, ehe sich Johanna Moore umdrehen und schießen würde.
»Ich kann Ihnen E überlassen«, sagte Moore.
Heathers Herz raste in ihrer Brust. Sie sah die Frau in Weinrot an und musterte ihr bleiches Gesicht. In ihren Augen schien sich Ernsthaftigkeit widerzuspiegeln, doch Heather vermutete, dass sie nur die Oberfläche sah. In der blauen Tiefe lauerte etwas anderes.
»Dann können Sie endlich eine Stimme für seine Toten sein und den Familien seiner Opfer Gerechtigkeit zuteilwerden lassen. Sie müssen nur Ja sagen.«
»Ah. Jetzt kommt der Haken. Wozu soll ich Ja sagen?«
Moore öffnete die Lippen. Heather starrte auf die langen Fänge und dachte fieberhaft nach, während ihr fast das Blut gefror.
»Zu mir«, sagte Moore.
33
HEIMKEHR
Ich werde hier sein, Dante. Genau hier.
Dante holte tief Luft und erwachte. Hinter seinen geschlossenen Lidern zerstob das Bild Heathers, und nur noch einen Augenblick lang konnte er ihr rotes Haar sehen, das wie Flammen in der Nacht loderte. Sie wartete auf ihn. Noch spürte er die warme, weiche Berührung ihrer Lippen und glaubte, sie auf seiner Zunge, auf seinem Mund schmecken zu können.
Er öffnete die Augen. Warmes, enges Dunkel. Sein Herz begann, in seiner Brust zu hämmern. Adrenalin pumpte durch
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