01 Nightfall - Schwingen der Nacht
die Achseln. »Wer sagt, dass ich das wissen will?«
Ronin grinste. »Ich.«
Heather starrte auf die Fänge des Reporters. Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken, und das Blut gefror in ihren Adern. Bin ich verdammt nochmal die Einzige hier, die keine Reißzähne hat oder sich nicht einbildet, ein Vampir zu sein?
Sie warf einen Blick auf Dante. Atemberaubend. Kreativ. Unmenschlich schnell. War er wirklich ein Vampir?
De Noir griff nach Ronins Ellbogen. Augenscheinlich wollte er den Journalisten nun endgültig vom Podest befördern. Doch plötzlich hielt er inne, die Hände noch in der Luft, den Blick nach innen gerichtet.
Die Musik verstummte. Die Lichter im Club wurden schwächer und gingen dann ganz aus.
»Hörst du das?«, fragte Dante, dessen Stimme völlig bezaubert klang. »Ich spüre einen Rhythmus … wie Feuer, wie dein Lied, Lucien, wie …«
Heather näherte sich der Stelle, von der Dantes Stimme erklang. In dieser Finsternis konnte alles passieren. Ein Mörder konnte sich mühelos nähern. Ein schneller Schnitt quer über den Hals … es war nur ein geringer Trost, dass der Mörder Dante vermutlich lieber lebendig in seine Gewalt bringen würde … zumindest für eine Weile. Sie streckte die Hand aus und tastete nach seinem Arm. Ihre Finger glitten über Latex und drückten Dantes Unterarm.
»Hör genau zu«, sagte De Noir, dessen Stimme gepresst und dringlich klang.
Dante ächzte vor Schmerz.
»Was?«, fragte Heather, die sich anspannte. »Was ist hier los?«
In diesem Augenblick gingen die Lichter wieder an.
Ronin stand reglos am Rand des Podests. Er runzelte die Stirn und hatte den Blick auf Dante und De Noir gerichtet, die er aufmerksam beobachtete. De Noirs Hand lag auf Dantes Schulter, und es kam Heather vor, als bohrten sich seine Nägel durch Dantes Shirt. Dante begegnete verwirrt De Noirs Blick.
Heather ließ Dantes Arm los. »Was ist hier los?«, wiederholte sie.
»Hör mir zu«, sagte De Noir. »Wappne dich. Sperr es aus.« Er hob Dantes Kinn mit einem Klauenfinger. »Ich muss weg. Versprich mir, mir nicht zu folgen.«
Dante sah in De Noirs inzwischen golden gewordene Augen. Obwohl er kein Wort sagte, hatte Heather den Eindruck, als ob sich die beiden intensiv miteinander austauschten.
»Lass mich helfen«, wisperte Dante und sah sein Gegenüber frustriert an.
»Versprich es mir.«
Dante wandte den Kopf ab, um den Finger unter seinem Kinn abzuschütteln, und biss die Zähne zusammen. Dann hob er zwei Finger und schob sie in den Halsausschnitt seines Shirts, wo sich zuvor die Daumenkralle in seine Haut gebohrt hatte. Er zog sie wieder heraus. Sie waren voller Blut, als er sie gegen De Noirs Lippen presste.
»Ich verspreche es.«
»Ein Blutschwur«, murmelte Ronin. Seine dunklen Augen leuchteten.
Mit Dantes Blut auf den Lippen schritt De Noir die Stufen hinab und trat in die Menge der Zuschauer, die alle ihren Blick zum Thron hoch gerichtet hatten.
Dante sah ihm nach. Er schlang die Arme um seinen Oberkörper, und sein bleiches Gesicht wirkte besorgt.
»Worum ging es da eben?«, fragte Heather.
»Ich weiß nicht«, sagte Dante heiser. »Er wollte es mir nicht sagen.« Sein Blick wanderte über die Menge, und Heather tat es ihm gleich.
De Noir erklomm bereits die Treppe in den zweiten Stock. Er streifte sein purpurnes Hemd ab. Darunter zeigten sich starke Muskeln. Das Hemd schwebte wie ein Rosenblatt aus dem Strauß eines Liebhabers auf die Stufen herab.
Eine Gestalt eilte hinter De Noir die Treppe hinauf, nachdem dieser um die Ecke gebogen und nicht mehr zu sehen war. Eine rothaarige Goth-Prinzessin in einer dunklen Krinoline und mit Netzstrümpfen hob das beiseitegeworfene Hemd auf. Sie drückte es gegen ihre Wange und kam dann wieder die Treppe herunter in den Club.
»Ist De Noir auch ein Vampir … ein Nachtgeschöpf ?« Heather wandte sich Dante zu.
Der ließ die Arme sinken und schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist ein Gefallener.«
Klauen. Goldene Augen. Blaues Feuer. »Wie in ›gefallener Engel‹?«
Das geht die Gefallenen nichts an.
Dante zuckte die Achseln. »Das ist eine der Geschichten, die sich um die Gefallenen ranken – ja.«
»Das ist es also«, murmelte Ronin.
»Zeit zu gehen, Voyeur«, sagte Dante. »Wir haben nichts mehr zu klären.«
»Gut.« Ronin hob die Hände. »Ich bin nicht gekommen, um mir Feinde zu machen.«
Dantes Mundwinkel zuckten ironisch. »Lügner«, sagte er nochmals.
Etwas bewegte sich pfeilschnell in Heathers
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