Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
Vom Netzwerk:
der Strömung aus einem ruhigen Teich in den rauschenden Strom gezogen wird.
    Dann hob sie den Kopf und zwang sich, aufzustehen. Einige Fetzen ihrer verbrannten Kleidung fielen zu Boden. Sie war splitternackt, bis Orgraaleshenoth, der wieder in menschlicher Gestalt neben ihr stand, ihr eine einfache, braune Kutte zuwarf. Als sie das Gewand überstreifte, bemerkte sie die verbrannten Reste ihres Rucksacks und ihr Schwert, das in zwei von der Hitze verbogene Teile geborsten war. Sofort fiel ihr die Prophezeiung des verbrannten Dichters ein, Avalti, welche er an sie gerichtet hatte.
Ein zerbrochenes Schwert, zurückgelassen.
    »Es warten noch siebenundzwanzig magische Barrieren zwischen uns und dem inneren Tempel«, erklärte ihr Gebieter. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    Sie nickte grimmig, wie zu sich selbst, und folgte ihm.

20
    Folge meinem uralten Gesicht,
meinem kühnen, schwarzen Plan,
die Belagerung der Zeit zu brechen.
    CALABOS, Die Stadt der Träume, Akt III, i, 25
    Am frühen Abend legte Byrnak, Kriegsherr von Honjir und General der Horde, seinen langen, weißen Federkiel nieder und las noch einmal sorgfältig die neuen Befehle im gedämpften Licht einer Öllampe, die an der Zeltstange über ihm hing. Das Pergament schimmerte blassgolden, fast durchscheinend, und die Buchstaben der Wörter hoben sich in dicker, schwarzer Tinte deutlich davon ab. Die Befehle bestimmten, dass die Zahl der als Fußsoldaten ausgebildeten Krieger auf zehn pro hundert Mann verdoppelt und ein Drittel von allen Getreidevorräten, Vieh, Waffen und Rüstungen seinem eigenen Quartiermeister ausgehändigt werden sollten. Byrnak lächelte, als er an den jungen Mogaun dachte, dem er diese Aufgabe übertragen hatte. Er war einer der vierundzwanzig Stammesangehörigen, die von den Clanhäuptlingen in seine Dienste überstellt worden waren. Hogal war einer von den fünf Spionen unter ihnen, was Byrnak und Obax durch eine magische Untersuchung herausgefunden hatten. Jetzt natürlich waren sie alle loyal und treu, obwohl sie nicht seelengebunden waren. Er hatte in ihrem Verstand die subtileren Knoten von Ehre und Hingabe geknüpft. Das befriedigte ihn weit mehr als ein Gehorsam, der auf Angst und Schmerz beruhte.
    Byrnak überflog das Pergament noch einmal, ließ seinen Blick über die selbstbewussten Federstriche gleiten, die gerade, zuversichtliche Reihe der Wörter und die verschnörkelten Buchstaben seiner Signatur. Er runzelte die Stirn. Als er vor vier Tagen in dem Lager angekommen war, das man zur Feier des Blutfestes errichtet hatte, beherrschte er von der Schrift der Mogaun nichts weiter als ein paar Worte und Sätze. Jetzt erschien sie ihm so vertraut wie seine Muttersprache.
    Beinahe hätte er laut gelacht. Meinen ergebensten Dank, dachte er sarkastisch und malte sich aus, wie er sich vor der dunklen Macht im hintersten Winkel seines Verstandes spöttisch verneigte. Noch mehr Wissen, von dem ich nicht ahnte, dass ich es besaß!
    Vor dem Zelt gab es Bewegung, und als die Vorhänge vor dem Eingang zurückgeschlagen wurden, sah er das weißäugige Gesicht des Akolythen Obax.
    »Großer Gebieter«, sagte er. »Der ehrenwerte Häuptling Yasgur und seine Berater sind eingetroffen und erwarten Eure Befehle.«
    »Gut. Lass Stühle und Wein bringen.«
    Ein Diener schleppte die Stühle heran, und ein anderer trat mit einem Tablett ein, auf dem eine viereckige grüne Flasche und vier Bronzepokale standen. Obax musterte sie prüfend, bevor er gestattete, sie auf den Tisch zu stellen. Byrnak las unterdessen seine Befehle zu Ende und legte das Pergament behutsam auf zwei andere, zerknitterte Pergamentstreifen, die bereits vor ihm lagen. Es waren Nachrichten, die ihn früher am Tag durch Botenvögel erreicht hatten. Er nickte einmal kurz, und Obax klatschte zweimal in die Hände.
    Die Vorhänge wurden zurückgezogen, und drei Männer traten ein. Yasgur war breitschultrig und gutaussehend, und trug einen langen, schwarzen Mantel über einem polierten Lederharnisch. Der Umhang wies am Hals ein gesticktes Emblem aus zwei gekreuzten Speeren auf, und ein schlichter Goldreif schmückte seine Stirn. Bei ihm war ein stämmiger Mogaun-Krieger mit dem harten, prüfenden Blick eines erfahrenen Offiziers, sowie ein untersetzter, bärtiger Südmann, dessen entspanntes Lächeln unter Byrnaks eisigem Blick gefror.
    Yasgur hatte die Hände an seinen Waffengurt gelegt und verbeugte sich knapp. Es war eine sorgfältig bemessene Geste. »Seid gegrüßt,

Weitere Kostenlose Bücher