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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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wirst vernichtet…
    Er unterdrückte den starken Drang zu lachen, und versuchte stattdessen, sich auf seine Gedanken zu konzentrieren. Aber die Schatten in seinem Bewusstsein waren verstummt, im Gegensatz zu denen in seinem Zelt. Die flackernde Kerze warf große, tanzende Formen auf das gemusterte Segeltuch und die langen Banner, welche die verschiedenen Embleme der Mogaun zeigten. Die halb zurückgezogenen Vorhänge des Zelteinganges bewegten sich in der leichten Brise, und irgendwo draußen wehte eine Fahne im Wind. Durch die Lücke in den Vorhängen sah Byrnak einen Ausschnitt des nächtlichen Himmels, der schwarz war wie die Tinte eines Priesters, doch übersät mit Lichtern. Er stellte sich das Lager vor, die Zelte, die glühenden Feuer, die Patrouillen, die Stallknechte, welche die gewaltigen Pferdeherden versorgten, die im Norden in ihren Pferchen warteten. Er stellte sich vor, dies alles von oben zu sehen, dann wendete er sich nach Westen über die erhobene Ebene des Plateaus von Arengia zur Küste von Ebro'Heth und hinaus auf das Meer, auf den Ozean, der wie ein ungeheurer Abgrund die Nacht reflektierte, ohne dass ein Horizont am weit entfernten Ende der Welt zu sehen war …
    Er seufzte tief. »Ich bin müde«, sagte er zu Obax. »Hilf mir hoch.«
    Er zog sich am Arm seines Dieners empor und schwankte einen Augenblick, als ihn ein Schwindel überkam. Dann jedoch schüttelte er Obax' Hand rasch ab und ging mit unsicheren Schritten durch eine offene Plane zur Rückseite des Zeltes, wo er auf seiner mit Fellen überhäuften Bettstatt zusammenbrach. Obax trug ihm die Kerze nach und stellte sie vorsichtig auf einem zu zwei Dritteln leeren Waffengestell ab. Byrnak drehte sich nicht um, aber er fühlte, wie der Akolyth ihn eine Weile beobachtete. Er hörte ihn murmeln, vielleicht einen Segen, eher jedoch eine Anrufung, dann raschelte Kleidung und leise Schritte entfernten sich.
    Das Licht der Kerze leuchtete wie blasses Gold. Es schimmerte auf den Spitzen achtlos abgestellter Speere und Klingen, und ließ die brünierte Bronze eines Schildes glühen. Byrnak lag auf der Seite und konnte einen Teil seines Gesichtes in dem Schild sehen. Es wies tiefe Furchen auf, sein Bart war ungestutzt, seine Augenlider schwer. Das graue Gespinst des Schlafes senkte sich allmählich über seine Gedanken, aber bevor er dessen langsame, sanfte Ruhe genießen konnte, wurde sie von etwas Bekanntem durchdrungen, einer Stimme.
    Gebieter, mein Gebieter, hört Ihr mich?
    Byrnak bemühte sich, seine Augen zu öffnen, und glaubte, eine undeutliche Gestalt in dem polierten Schild zu sehen, eine gespenstische Gestalt mit flehentlich ausgestreckten Armen.
    Mein Gebieter, Eure ergebenste Dienerin sucht Euren Rat…
    »Nerek…«, flüsterte er und streckte die Hand aus. Doch es war eine Traumhand, die sich in den Wellen des Schlafes auflöste.
    Gilly Cordale saß auf einem Stuhl neben einem eisernen Feuerkorb, der zur Hälfte mit glühenden Kohlen gefüllt war, und wärmte sich, während Yasgur, Prinz von Besh-Darok und Häuptling des Feuerspeer-Clans, unruhig in dem Zelt auf und ab ging.
    »Es stimmt also doch, was man behauptet!«, sagte Yasgur. »Unser Großer Gebieter, dieser Byrnak, ist Träger eines Fragmentes des Herrschers des Zwielichts. Wie sich sein Gesicht verändert hat …« Er schüttelte verwundert den Kopf. »Ich hörte, wie andere ihn Schattenkönig nannten, ebenso wie diesen Ystregul. Diese beiden sollte man sich nicht zum Feind machen, stimmt's?«
    Gilly nickte und erinnerte sich daran, wie Byrnak ihn angestarrt hatte, als diese undeutliche Aura erschien. Zunächst war sie blass wie Rauch gewesen und hatte sich wie eine zweite Haut über das Gesicht des Mannes gelegt, doch dann war eine Spur Bernstein und Zinnoberrot hineingeströmt wie von Fackelschein und Blut. Während Byrnaks Gesichtszüge verwischten, erschien ein anderes Gesicht über seinem wie eine rote Maske, deren kalte Augen auf Dinge zu blicken schienen, die nicht da waren, und deren grausamer Mund sprach und lachte. Gilly hatte nichts gehört bis auf einige undeutliche Silben, als dieser Akolyth, Obax, sie recht unfeierlich und sichtlich in Panik aus dem Zelt gescheucht hatte.
    Auf Gilly hatte dieses Schauspiel beinahe so fürchterlich gewirkt wie dasjenige, als Suviel und er Zeugen von Raal Haidars Verwandlung in eine Dämonenbrut geworden waren. Dann erinnerte er sich an die magische Konfrontation in dem niedergebrannten Dorf und die Begegnung mit dem

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