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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Der höhergelegene Teil der Stadt ist von Mauern geschützt, und mein Feind ist bereits hier …«
    »Suvi? Kleine Suvi? Bist du es wirklich …?«
    Ein alter, grauhaariger Mann in zerlumpter Kleidung und einem Gehstock in der Hand schlurfte auf sie zu. Suviel sah ihn verblüfft und voller Freude an. »Meister Babrel?«
    Bevor Suviel mehr sagen konnte, hatte Nerek ihr die Zügel ihres Pferdes in die Hand gedrückt und stürmte mit gezücktem Dolch auf den alten Mann zu. Nur wenige Menschen sahen hin, als sie seinen verdreckten Umhang packte und ihn ganz in die Gasse hineinzog. Entsetzt wickelte sich Suviel die Zügel um die Hand und folgte ihnen rasch, während sie die die Pferde hinter sich herzerrte. »Töte ihn nicht, Nerek! Bitte, ich flehe dich an!«
    »Er hat dich erkannt!«, fauchte Nerek. Sie drückte den alten Mann gegen eine Hauswand, quetschte ihm den Unterarm gegen die Kehle und hielt ihren Dolch auf seine Brust gerichtet. »Er hat deinen Namen laut ausgesprochen …«
    »Er war während meiner Studienzeit Verwalter in einer der Akademien«, sagte Suviel hastig und legte Nerek eine Hand auf die Schulter. Die junge Frau zuckte zusammen und sah sie scharf an. »Babrel wird uns nicht gefährlich werden, das schwöre ich. Sieh ihn doch an! Wie sollte er?« Nerek musterte ihren Gefangenen gründlich, trat dann unvermittelt zurück und schob den Dolch wieder in die Scheide an ihrem Gürtel. »Kennst du dich in diesem Teil der Stadt gut aus, alter Mann? Können wir irgendwo unsere Pferde sicher unterstellen?«
    Babrels Atem pfiff in seiner geschundenen Kehle, während er nickte, sich auf seinen Stock stützte und die Gasse entlanghumpelte. Suviel bedachte Nerek mit einem wütenden Blick, warf ihr die Zügel ihres Pferdes zu, trat dann rasch an Babrels Seite und legte ihm den Arm um die Schultern. Er fühlte sich erschreckend ausgemergelt an.
    »Meister Babrel, warum seid Ihr noch hier?«
    Babrel sah sie von der Seite an und hob eine Braue, eine Geste, an die sich Suviel noch sehr gut erinnerte.
    »Du meinst, warum ich nicht wie die anderen aufgegeben habe und geflohen bin?« Er schnaubte missbilligend. »Jemand muss hier bleiben und Zeugnis ablegen, junge Hantika, aufpassen und vielleicht sogar ein bisschen zu retten versuchen. Verstehst du das?«
    »Ja.«
    »Gut. Ich hoffe, dass du und deine beiden Komplizinnen nicht all die Jahre dem Müßiggang gefrönt habt. Wie hießen sie noch gleich…?«
    Suviel seufzte. »Pelorn und Cavaxes.« Die beiden waren ihre engsten Freundinnen während ihrer Studienzeit in Trevada gewesen. Pelorn, mit ihrem hüftlangen Haar und ihrem scheinbaren Hochmut, und Cavaxes mit ihrem scharfen Verstand. Die drei waren noch lange nach der Erlangung ihrer Magierwürde zusammengeblieben, und eine Weile hatte es ausgesehen, als wäre ihre Freundschaft unzerbrechlich. Es erfüllte Suviel mit schmerzlicher Trauer, als ihr bewusst wurde, dass sie schon seit Jahren nicht mehr an die beiden gedacht hatte.
    Babrel schien ihr Schweigen zu bemerken. »Leben sie noch?«
    »Sie sind beide beim Fall von Besh-Darok gestorben.«
    Einen Moment schwieg der alte Mann. »Viele gute Menschen haben in diesen Tagen ihr Leben gelassen. Zu viele. Jetzt überleben nur noch die Brutalen und Mächtigen«, fuhr er fort. ›»Wie auch ich es muss.‹«
    Suviel lächelte, als sie das Couplet erinnerte, aus dem er zitiert hatte.
    Hundert Monstrositäten, Und tausend Verrätereien leben weiter, Wie auch ich es muss.
    Es stammte aus der
Schwarzen Saga von Culri Moal,
einem langen Epos voller obskurer Anspielungen und grotesken Bildern. Sie konnte sich gut vorstellen, dass der unbekannte Verfasser in ähnlich schwierigen Zeiten gelebt hatte wie sie jetzt.
    Suviel betrachtete die Ruinen der Häuser mit den dunklen, geschwärzten Fensterhöhlen auf der anderen Straßenseite, als Babrel sie weiterführte. Im grauen Licht des Nachmittags sah man die geborstenen Schornsteine und die zusammengestürzten Giebel, aber das Licht erhellte kaum die engen, abfallübersäten Gassen, die von den verstopften Abwässerkanälen verschlammt waren. Vor der Invasion beherbergten diese Gebäude Studentenkneipen und Quartiere für Zimmerleute, Papierschöpfer, Buchbinder und Glasbläser ebenso wie für eine verwirrende Vielzahl von Handwerkern, die alles mögliche herstellten, angefangen von Schuhen und Kerzen bis hin zu Papierdrachen und von Segeln gezogenen Karren.
    »Sie sind alle leer, diese Häuser«, erklärte Babrel. »Meistens ist es

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