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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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nächsten Stunde an. Rückt ohne Verzögerung vor.
    Yarram gewährte den Männern noch einige Minuten, um zu Ende zu essen, bevor er den Befehl zum Aufsitzen erteilte. Auf dem Uferweg, der sich unter den zahllosen Hufen in Schlamm verwandelte, hielt Bardow noch einmal an und warf einen letzten Blick zurück.
    Auf der anderen Seite des Unglin erstreckten sich fruchtbare Ebenen, bestellte Felder und Weiden knapp eine Meile vom Ufer bis zum Fuß des ungeheuren Rukang-Massivs. Ein gewaltiger Wasserfall ergoss sich über eine von der Witterung der Jahrhunderte erodierte Kerbe in einer Felswand direkt gegenüber. Die Gischt der weißen Wassermassen hing wie eine Nebelwand in der Luft, und gewaltige Schaumwolken stiegen aus einem mit Felsen übersäten Becken am Fuß der Klippen empor. Hier, am östlichen Nadelöhr von Gronanvel zeigte der Rukang dem Betrachter sein schroffstes, grimmigstes und unbezwingbarstes Gesicht. Bardow dachte an die Ebenen von Khatris, die dahinter lagen, ein Gebiet, das einst als das Land der Schwerter bekannt war, weil dort alle Schlachten der Alten Zeit geschlagen worden waren. Damals bildete das Rukang-Massiv ein gewaltiges Bollwerk gegen eine Invasion aus dem Süden, und jetzt zwang es jeden, der aus dem Norden kam, sich für den Weg entweder über Vanyons Furt oder Sejeend zu entscheiden.
    Falls wir Sejeend einnehmen, dachte Bardow, ist dem Feind selbst diese Wahl genommen. Der Angriff auf die zur See gerichteten Bastionen von Sejeend begann wie geplant. Rul Yarram teilte seine Kavallerie in zwei Flügel auf, mit Bardow, Guldamar und Terzis in der vordersten Reihe des linken Flügels. Von dort aus konnten sie eine Breitseite der Niederen Macht abfeuern und einen Teil der Hauptmauer und hoffentlich einen der Türme zerschmettern, von dem aus jedes Herannahen einer feindlichen Armee rechtzeitig entdeckt werden konnte. Yarrams Ritter würden dann durch die Bresche stürmen und die Verteidiger überrumpeln.
    Aus den Satteltaschen wurden die Kriegsfahnen geholt, die zähnefletschende Kriegshunde auf einem blassblauen Hintergrund zeigten. Die Fahnen flatterten, und die Ritter galoppierten in geschlossener Formation hinter einem langen Ausläufer des Waldes hervor und in die Sichtweite der Wälle von Sejeend. In einer geordneten Bewegung schwenkten die beiden Flügel aus und griffen in vollem Galopp an. Mittlerweile hatte der Regen aufgehört, und durch die Wolken drangen vereinzelte Sonnenstrahlen, die auf den nassen Rüstungen und den gezückten Klingen funkelten. Bardow ritt in der vordersten Reihe, flankiert von Guldamar und Terzis. Jeder hatte bereits vor einigen Minuten den Gedankengesang der Kadenz angestimmt, und Bardow fühlte, wie die Aura der Niederen Macht sie umgab, als sie sich den Mauern näherten.
    Er schaute an Terzis vorbei auf die Reihen der galoppierenden Ritter. Bald, dachte er, sehr bald … Er blickte wieder nach vorn. Und sah ein Meer feindlicher Truppen, die aus einigen geöffneten Toren strömten und in heillosem Durcheinander auf die heranpreschende Kavallerie zurannten. »Was ist das für ein Wahnsinn?«, rief Guldamar über den Lärm der Reiter und der Hufe hinweg. Bardow antwortete nicht, sondern richtete den Blick auf die heranstürmende Meute. Es schien sich ausschließlich um über zwei Meter große Mogaun-Krieger zu handeln, die lauthals grölten und Knüppel, Speere oder Streitäxte schwangen. Im ersten Moment wirkte der Anblick beunruhigend, aber der Ansturm war vollkommen ungeordnet. Guldamar hat recht, dachte er. Das ist Wahnsinn. Was übersehe ich dort?
    Er runzelte die Stirn und schloss alle anderen Empfindungen aus seinem Verstand aus, während er einen zweiten Gedankengesang in seinem Kopf anstimmte. Messerauge, sieh hindurch zur Wahrheit… Die Anstrengung, zwei Anrufungen gleichzeitig zu wirken, brannte in seinem Kopf, aber er schaffte es. Rechts von ihm bedeutete Yarram der ersten Reihe, ihre Speere zu senken, als sich vor Bardows Augen die Angriffswelle der brutalen Krieger in einen Haufen entsetzter, in Lumpen gekleideter Städter verwandelte. Voller Schrecken lenkte er sein Pferd nach links und versuchte den Schwung der hinter ihm Reitenden zu verlangsamen und gleichzeitig Yarrams Flügel zu warnen. »Halt!«, schrie er. »Es ist eine Illusion! Nicht angreifen!«
    Es war zu spät. Schreie gellten auf, als die Speere und Schwerter die blindlings weiterlaufenden, von dem Spruch getarnten Stadtbewohner niederstreckten. Innerhalb weniger Sekunden

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