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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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durchquert hatte. »Erzähl es mir noch einmal.«
    »Einst war das Reich der Dämonen ein Heim für die, welche der Herrscher des Zwielichts zuerst aus den Großen Wassern der Nacht erhoben hatte, ein Geschenk aus seinen Händen. Es war eine großzügige Welt, majestätische Hallen erstreckten sich, so weit das Auge blickte, angefüllt mit Säulen und Kammern aus glänzenden, schwarzsilbern glitzernden Steinquadern. Es gab Kammern für Geburt und Tod, für Zeitvertreib und Schlaf, für Essen und Kampf. Die Luft war rein, und das Licht strömte aus belebten Statuen.« Er hielt inne. »Ich selbst habe es nie gesehen. Die Abtrünnigen unter meinen Ahnen widersprachen den Wünschen des Herrschers des Zwielichts hier im Zwischenreich, widersetzten sich ihm durch die Tat und halfen seinen Feinden.
    Als der Fürst der Finsternis diesen Verrat entdeckte, reagierte er ohne zu Zögern und belegte uns mit einer ungeheuren Strafe. Was seine Hand berührte, wurde zerstört, und die Pracht des Dämonenreiches zerfiel zu Ruinen. Meine direkten Vorfahren und ich wurden zwischen dem Schutt und den Relikten einstiger Pracht geboren, dennoch hat unsere Treue niemals geschwankt und unsere Entschlossenheit, unser Reich wiederaufzubauen, niemals nachgelassen.«
    Keren fühlte sich kalt bis ins Mark, als wären ihre Haut und Knochen aus Stoffen gemacht, die vom tiefsten Grund des Ozeans geborgen worden waren. Wie viele Abschnitte der Prüfungen habe ich wohl schon durchquert?, dachte sie. Wie oft wurde ich neu erschaffen? Sie schaute abwägend auf die blasse Haut ihrer Hände und versuchte sich daran zu erinnern, wie sie einst damit Schwerter, Speere und Schilde gehalten hatte.
    »Wer sind die Schattenkönige?«, fragte sie. »Was ist ihre Absicht?«
    »Sie sind Fragmente des Fürsten der Finsternis, bloße Splitter seiner Größe, die mit Masken, Schwertern und Lügen planen und Listen ersinnen. Armeen marschieren für sie, dennoch sind sie von Widerwillen erfüllt. Ein jeder von ihnen will die Macht des Herrschers des Zwielichts besitzen, ohne jedoch dafür sein armseliges Selbst aufzugeben. Doch das müssen sie, denn eine Schale fasst keinen Ozean. Bis dahin hält die Dämonenbrut ihre Hilfe zurück, denn wir dienen niemandem, der selbst dient.«
    Keren presste ihre Hände fest auf den kalten Stein des Tunnelbodens. Er fühlte sich unter ihrer Haut fast warm an, und sie nahm durch sie die uralten, komplizierten Zauber wahr, welche diesen Teil des Oshang Dakhal durchdrangen. »Ist die Macht der Wurzel denn vollkommen ausgelöscht?« »Was übrig blieb, ist ein zerbrochener Traum. Kekrahan nannten wir das, was einst das Reich des Vater Baumes war. Jetzt ist es eine leblose Einöde und wird bald in den langen, langsamen Gedanken der Zwischenwelt zur bloßen Erinnerung einer Erinnerung verblassen. Ohne den Vater Baum und die Macht der Wurzel, den Widersachern des Herrschers des Zwielichts, wird es vielleicht nie wieder eine Ordnung oder eine Herrschaft geben.«
    »Was weißt du von dem Krieg?«
    »Er verdient diesen Namen kaum. Die Reste des Kaiserreiches und ihre wenigen Verbündeten stolpern von einem schlecht vorbereiteten Scharmützel ins nächste und haben jetzt vor, Besh-Darok anzugreifen, um die Akolythen daran zu hindern, Vraolesch Dor an dem Nachkommen eines längst untergegangenen Kaisers zu vollziehen. Selbst wenn sie Yasgurs Zitadelle erobern und das Mädchen retten, wird es ihnen nichts nützen. Die Schattenkönige werden mit einer gewaltigen Armee gegen sie reiten, unterstützt von einem Schwärm Nachtjäger, welche die Akolythen erwecken. Ihre Niederlage wird verheerend sein, und es wird keine Gnade geben.«
    Bilder stiegen vor ihren Augen auf, Kammern voller Lärm, in denen maskierte Handlanger über schreckliche, geflügelte Wesen wachten, die sie aus einem unruhigen Schlaf rüttelten. Sah sie vielleicht, was er sah, oder was er sich vorstellte?
    »Was ist das Kristallauge?«
    Er zögerte. »Ein Geschenk an die Sterblichen, eine von drei Gaben aus einem lange vergessenen Zeitalter. Einst wurde es von Menschen an Menschen weitergereicht, die nur wenig darüber wussten, und von anderen, die zu viel Kenntnisse darüber besaßen. Es hat beides vollbracht, Königen geholfen als auch ihren Untergang herbeigeführt. Manchmal wird das Auge verehrt, dann wiederum verachtet, doch immer weckt es Furcht, sei es die Furcht vor seiner Macht, oder die Angst, es nicht einzusetzen. In Kaiser Orosiada hielten sich diese beiden Kräfte die

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