01 - Schatten der Könige
zwingen, umzukehren.«
»Ihr hattet recht, die Zeit arbeitet gegen uns.« Bardow blickte auf die ferne, dunkle See hinaus und schüttelte sich. »Ich muss mit Medwin gedankensprechen und ihn über diese Entwicklungen informieren.«
Kodel stieß sich von dem Baum ab, zog schlichte Reiterhandschuhe mit langen Stulpen aus seinem Gürtel und streifte sie über. »Macht ihm unbedingt den Ernst der Lage klar, und fühlt Euch frei, meinen Mangel an Geduld zu erwähnen.« Er nickte knapp. »Bis später.«
Bardow sah ihm nach, wie er die andere Seite des Kammes hinunterging, wo der Großteil der Armee lagerte. Wie grimmig er scheint, dachte er. Und wie gut er damit in diese Zeiten passt. Er schob seine Betrachtungen beiseite, setzte sich an den Fuß des Spiralblatt-Baumes, wo ihn der süße Duft der Samenkapseln umhüllte, schloss die Augen und beruhigte seine Gedanken. Es erforderte nur wenig Zeit und Mühe, Medwin zu finden, seine Aufmerksamkeit zu erregen und ihm Kodels Nachrichten weiterzugeben.
Die Ereignisse hetzen uns wie die Hunde ihre Beute,
antwortete Medwin bestürzt.
Während diese Schwätzer unsere Formulierungen auseinander pflücken und danach die Worte selbst. Ich kann fühlen, wie sie uns herausfordern.
Sie fürchten, dass wir geschlagen werden,
antwortete Bardow.
Ihr müsst sie vom Gegenteil überzeugen.
Es würde mir eher gelingen, die Flüsse dazu zu bringen, bergauf zu fließen … Wir müssen später weiterreden. Man bringt Essen …
Wie nimmt Mazaret es auf?
Der Ehrenwerte Lordkommandeur bietet einen sehr überzeugend bedrohlichen Gegenpart zu meiner eher vernünftigen und liebenswürdigen Vorgehensweise. Bedauerlicherweise ist sie diesmal nicht so effektiv, wie wir es wünschten. Könntet Ihr Euer Treffen nicht verschieben und Euch zu uns gesellen? Ich muss mit unseren neuen Kollegen sprechen,
erwiderte Bardow.
Sie sind aus eigenem Antrieb hier erschienen, und wenn ich sie nicht begrüße, ziehen sie es möglicherweise vor, wieder ihrer Wege zu gehen. Wir können uns den Verlust einer so großen Zahl von Magiern nicht leisten. Ich verstehe.
Ich bin sicher, dass es einen Weg gibt, das Zögern unserer Gastgeber zu überwinden,
schloss Bardow nachdenklich.
Wenn man sie nicht überzeugen kann, kann man sie vielleicht verführen … Vielleicht…
Medwins Präsenz schwand und ließ Bardow mit seinen eigenen Gedanken zurück. Medwin hatte recht. Sie befanden sich in einer Zwickmühle zwischen der eigenen Strategie, die sie verfolgen wollten, und der Erfordernis, auf ihre Widersacher zu reagieren. Sie brauchten einen Vorteil, wie das Kristallauge, aber seit seiner letzten Suche nach Suviel, bei der er sie in der Gewalt von Byrnaks Spiegelkind Nerek gefunden hatte, konnte er sie nicht mehr aufspüren. Natürlich mochte sie tot sein, oder aber unter der Kontrolle des Spiegelkindes. Dennoch musste er es erneut versuchen, um die Wahrheit in Erfahrung bringen.
Bardow fühlte sich ausgeruht und hatte sich von den anstrengenden Kämpfen in Sejeend erholt, und war deshalb in der Lage, den Gedankengesang des Geflügelten Geistes sofort zu beschwören. Er hatte sich Suviel kaum vorgestellt, als der Geflügelte Geist ihn in die Zwischenwelt katapultierte, hinab in die Leere, über gewaltige Höhen und gähnende Schlünde. Es schien wie ein unendlicher, sich auflösender Traum, endlos, leblos, zeitlos.
Dennoch schlug der Geflügelte Geist eine bestimmte Richtung ein, einen Pfad, der ihn zu einem Ort führte, wo die Wälle der Leere sich zu einem Schleier verdünnten. Dahinter sah Bardow einen engen Gang, dessen glatte Steinwände Runen zeigten, deren vage, vertraute Form in dem spärlichen Licht undeutlich blieb. Zwei Gestalten lagen auf dem Boden, die eine zusammengerollt auf der Seite, die andere lehnte an der Wand und ließ den Kopf im Schlaf nach vorn sinken. Während Bardow noch die Einzelheiten der Szene in sich aufnahm, erwachte die sitzende Gestalt, riss den Kopf beunruhigt hoch, bewegte die Lippen und machte mit den Händen eine abwehrende Geste.
»Nicht, wartet!«, sagte Bardow.
Suviel Hantika hielt mitten in der Bewegung inne, und trotz des dämmrigen Lichts erkannte Bardow die Furcht auf ihrem Ge sieht. Doch sie verschwand, als sie aufstand und etwas näher kam. Ihr Schatten glitt über die Runen, und sie verzog zögernd die Lippen zu einem Lächeln.
»Bardow«, flüsterte sie. »Ich dachte schon, ich würde Euch nie wiedersehen.«
»Ich habe häufig versucht, Euch zu erreichen, aber Ihr wart
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