01 - Schatten der Könige
zurückgekehrten Erzmagier. Eine Sekunde sah Alael ein müdes, friedliches Lächeln auf Argatils Gesicht, dann traf ihn der Feuerball und mit einem fürchterlichen Krachen zersplitterte der Alte. Alael keuchte vor Angst und schlug die Hände schützend vor ihr Gesicht.
Der Schwarze Priester starrte beinahe furchtsam auf die zerstörten Reste und bewegte die Lippen wie im Selbstgespräch, blieb jedoch stumm. Alael wusste, dass sie sich in der Gewalt eines Wahnsinnigen befand, und schaute weg, als ihr Tränen in die Augen stiegen.
»Ihr habt den alten Tattergreis beseitig, Mylord. Ausgezeichnet.«
Sie blickte hoch, und was sie sah, nahm ihr den Atem. Kaiser Korregan war zurückgekehrt und zog Tauric hinter sich her, der sich nicht widersetzte, sondern nur wie betäubt den Mutterkeim an seine Brust presste. Der Kaiser schwebte zu Alael und stellte Tauric neben sie, entzündete den Rand des Musters auf dem Boden und verbeugte sich widerstrebend vor dem Schwarzen Priester. Ystregul hatte mittlerweile seine Fassung wiedergefunden, und lächelte über diese erzwungene Geste von Gehorsam. »Deine Treue wird belohnt werden«, sagte er. »Im Reich der Ewigkeit werde ich viele Statthalter benötigen …«
»Gebt uns einen Körper«, sagte Korregan. »Gebt uns echtes Fleisch, Haut und Knochen, wie es uns versprochen war. Dann tun wir, was Ihr verlangt.«
Alael sah Tauric an, der benommen neben ihr saß.
»Was ist geschehen?«, fragte sie. »Wie fühlst du dich?«
»Sie wollte ihn nicht aufhalten«, murmelte er. »Er kam, um mich zu holen, und der Keim … tat nichts. Ich…«Er umklammerte ihren Arm und blickte sie wild an. »Diese … Spukgestalt da ist nicht… mein Vater! Das kann nicht sein …!«
»Das Versprechen gilt«, sagte Ystregul gerade. »Erst jedoch muss Blut auf den Keim fließen und die Pforte öffnen. Dann …«
»Dann passiert gar nichts«, unterbrach ihn eine Stimme. »Denn du wirst dann nichts sein und Er alles.«
Sichtlich erschrocken wirbelte der Schwarze Priester herum und starrte, wie alle anderen auch, die gepanzerte Gestalt an, die auf dem Thron saß. Ihre Rüstung war aus Gold und schimmerte, und sämtliche Flächen waren mit Reliefs von Echsen und Schlangen geschmückt und mit Stacheln bewehrt. Der groteske Helm, der seinen Kopf vollkommen einhüllte, war ebenso verziert. »Ah, mein gesichtsloser Bruder.« Der Schwarze Priester entspannte sich etwas. »Gesichtslos, Namenlos und Rückgratlos…« »Du bist Seine Marionette, Ystregul. Du glaubst, deine eigenen Pläne zu verfolgen, aber Er hat den Weg für dich vorgezeichnet, jeden Schritt, jede Aufgabe, die Ihm die Macht gibt, von der Er träumt.«
»Deine Worte sind der Beweis für deinen verwirrten Geist, Bruder«, erwiderte Ystregul. »Verlasse diesen Ort, solange du noch kannst.«
Die Gestalt auf dem Thron, in dem Alael einen der anderen Schattenkönige vermutete, lachte nur leise. »Du hörst Ihn, stimmt's? Er träufelt dir schwarze Gedanken ins Hirn, Tag und Nacht, manchmal flehentlich, manchmal fordernd, doch immer gegenwärtig und abwartend.« Er deutete mit seiner behandschuhten Rechten auf den Schwarzen Priester. »Ich weiß, dass du Ihn hörst, weil ich Ihn ebenfalls höre, und ich selbst will so wenig wie du alles für Ihn aufgeben.«
»Geh jetzt. Ich wiederhole mein Angebot nicht mehr.« »Ja, das Leben ist nicht so schlecht, dass du es freiwillig opfern würdest, für Ihn. Ist das etwa nicht so?«
»Deine Rüstung ist beschmutzt, Bruder«, knurrte Ystregul. »Lass sie mich ein wenig polieren.« Er schwenkte seinen Stab in einem raschen Bogen vor sich, und helle Strahlen zuckten heraus. Seine Akolythen griffen ebenfalls mit ihrer Magie an. Ein Sturm aus Feuer und Licht tobte um den Thron, doch die Gestalt darauf erhob sich scheinbar unbeeindruckt und breitete in einer dramatischen Geste die Arme aus. Helle Strahlen zuckten aus seinem gepanzerten Körper, die alle unbeirrt auf jeden einzelnen seiner Angreifer zurasten. Einige Akolythen wurden zurückgeschleudert, anderen wurden die Gliedmaßen abgetrennt. Einer, ein hagerer Bogenschütze, der schwebend feurige Pfeile abfeuerte, hielt mitten in der Bewegung inne und stürzte mit einem mächtigen Poltern zu Boden.
Alael hatte sich auf den Boden gekauert, während dieses tödliche Feuer über ihrem Kopf hinwegzischte, und wäre beinah aufgesprungen, als Tauric ihre Hand ergriff.
»Sieh doch, sie entkommen …«
Auf der anderen Seite des Saals schlichen die Magier, die bis jetzt
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