01 - Schatten der Könige
nach Krusivel hierher gekommen bist? Ein bisschen klingt das wie diese Byrnak-Geschichte.«
Der Erzmagier hatte höchst beunruhigt reagiert, als Suviel ihm ihre Begegnung mit dem Kriegsherrn von Honjir und dessen Magie geschildert hatte. Und nachdem sie geendet hatte, enthüllte er ihr, dass ein anderer Kriegsherr, Grazaan aus Nord-Yularia, angeblich ebenfalls offen die Kräfte des Brunn-Quell einsetzte.
»Was wird Ikarno wegen seines Bruders unternehmen?«, erkundigte sich Bardow. »Will er ihn in den Orden aufnehmen?« Suviel schüttelte den Kopf. »Das nicht. Und er wollte mir nicht anvertrauen, was er im Sinn hat.«
»Vielleicht will er es ja hier diskutieren, falls Volyn tatsächlich kommt.« Bardow lächelte spöttisch. »Zweifellos wird der Hochverehrte Hauptmann uns ein weiteres Mal damit ermüden, eine Belagerung von Besh-Darok in unseren Schlachtplan einzubeziehen.« Er kicherte trocken. »Andererseits war eines seiner Jäger Kinder dabei, als wir Tauric in die Kammer des Heilers gebracht haben. Vielleicht überdenkt er gerade nur die Haltung der Jäger Kinder in dieser Angelegenheit.«
»Und wenn sie sich dazu entscheiden, genau deshalb den Pakt aufzukündigen?«, erkundigte sich Suviel. »Was tun wir dann?«
»Dann stecken wir in ernsten Schwierigkeiten.« Bardow sah sie an. »Aber das wird nicht passieren. Falls Volyn wirklich mit uns brechen wollte, hätten seine zweihundert Jäger Kinder längst gesattelt und wären bereit, abzurücken. Ich habe ihre Kaserne im Auge behalten, und bis auf eine kleinere Prügelei vor einigen Stunden ist alles so, wie es sein soll.«
»Warum dann diese Verzögerung?«
Der Erzmagier wollte gerade antworten, als es an der Tür klopfte. Suviel drehte sich herum und sah, wie eine Tempelschwester zwei Männer in den Raum führte, die beide in dunkles Grün gekleidet waren.
»Eure Ehrwürden«, sprach die Schwester Halimer an. »Hauptmann Volyn und Sentinel Kodel.« Kodel war schlank und dunkelhäutig. Sein langes schwarzes Haar hatte er zu einem Zopf gebunden, und mit seinem Falkenblick musterte er die Anwesenden in dem Raum. Nach ihm trat Volyn ein. Er war kleiner, hatte eine massige, muskulöse Brust, und man merkte ihm seine rastlose Energie an. Er wirkte wie ein Ringer, der es kaum erwarten konnte, den Kampf aufzunehmen. Sein Wildgelocktes blondes Haar und der dichte, getrimmte Bart betonten sein derbes Aussehen noch. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter grüßte er die Äbtissin und den Erzmagier mit einer Verneigung und nickte danach Mazaret zu. Volyn grinste, während Mazaret ihn gezwungen anlächelte.
Suviel beobachtete die beiden Anführer aufmerksam. Volyn und Mazaret unterschieden sich nicht nur durch ihr Aussehen und ihre Größe, oder ihre militärischen Strategien. Die Geschichte selbst hatte eine tiefe Kluft zwischen ihnen geschaffen, die keiner von beiden trotz ihrer beinahe sechsjährigen Zusammenarbeit überwinden konnte.
Vor beinahe fünfhundert Jahren wurde das damalige Kaisergeschlecht Khatrimantines, das Haus Tor-Cavarill, von einem anderen Zweig der Kaiserdynastie, dem Haus Tor-Galantai vom Thron verdrängt. Kaiser Hasmeric Tor-Cavarill war nur wenige Stunden nach dem Tod seiner Frau an einem Schlaganfall gestorben. Sie hatte ihrem einzigen Nachkommen das Leben geschenkt, einem Sohn. Hasmeric selbst war ebenfalls ein einziger Spross, und ohne einen direkten Verwandten, der die Rolle des Regenten übernehmen konnte, oblag der Konklave die Pflicht, einen geeigneten Kandidaten zu finden. Unter dem massivem Einfluss des Hauses Tor-Galantai übertrug die Konklave die Krone Lord Arravek Tor-Galantai. Ihr Argument war die Notwendigkeit eines starken Imperiums, da das Reich zu dieser Zeit von den Flotten der Piraten-Prinzen bedroht wurde, welche die Nordküste heimsuchten. Hemerics Sohn Coulabric wurde derweil auf dem Insellabyrinth des westlichen Dalbar erzogen, weit weg von der Hauptstadt Besh-Darok. Mit der Zeit wuchs er zu einem starkenjungen Mann heran, der ebenso in der Kunst des Schwertes wie der Feder unterrichtet wurde. Er wartete geduldig auf Arraveks Ableben, auf dass Krone und Thron wieder dem Hause Tor-Cavarill übergeben würden. Doch am Tag von Arraveks Tod durchbohrte ein Armbrustbolzen Coulabrics Herz. Er war auf der Jagd und wurde auf der Stelle getötet. Als Arraveks Sohn daraufhin zum Kaiser gekrönt wurde, beschuldigten Coulabrics Anhänger ihn des Mordes und der Verschwörung. Sie tauften sich die Jäger Kinder und schworen dem
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