01 - Schatten der Könige
war dunkel und heiser. Ihr barscher Unterton verriet Stärke, und es schwang vielleicht auch eine Drohung darin mit. »Major Domas hat berichtet, dass Ihr früher einmal Leutnant in der kaiserlichen Armee wart, in der Schlacht an der Wolfsschlucht gefochten habt, dem Gemetzel entkamt und Euch seitdem als Schwertkämpferin verdingt. Das lässt auf eine Menge Erfahrung schließen, die darüber hinaus noch wohl erworben ist. Eine solche Veteranin könnte ich in meiner Kompanie gut gebrauchen, Keren. Falls Ihr akzeptiert, bekommt Ihr einen Posten als Hauptmann.«
Sie dachte einen Moment nach. Das war ein verlockendes Angebot in unsicheren Zeiten wie diesen, in denen Mogaun-Häuptlinge, Kaufleute und sogar Stadtväter Söldner anwarben. Aber sie konnte das Versprechen nicht brechen, das sie dem Lordkommandeur gegeben hatte. Sie sollte Shin Hantika beschützen. Es war ihre Pflicht und eine ehrenvolle noch dazu, und sie hatte sich in den Kopf gesetzt, sie zu erfüllen.
»Das ist ein großzügiges Angebot, General. Aber ich habe bereits eine Aufgabe. Bedauerlicherweise muss ich ablehnen.«
Der General sah sie nachdenklich an und rieb mit den Fingern über das glatte, vom Gebrauch dunkle Leder der Dolchscheide. »Wir leben in gefährlichen Zeiten, Keren. Das könnte Eure Chance sein, Euch auf die Seite der Gewinner zu schlagen.«
»Ich danke Euch, General, aber meine Entscheidung steht fest.«
»Wie Ihr wollt. Domas wird Euch zum Zelt des Heilers führen.«
Nachdem Domas und Keren gegangen waren, trat ein Mann in dem langen, zerfetzten Mantel eines Städters langsam hinter einer Plane am rückwärtigen Ende des Zeltes hervor und ging zum General.
»Also?«
Der General sagte nichts, als er in einen Tornister griff, der zu seinen Füßen lag, und einen schartigen, rostigen Dolch herauszog. Er schob ihn in die Lederscheide und hielt die Waffe dem Mann hin. Lächelnd griff der Zerlumpte danach und drückte dem General einen Beutel in die Hand, dessen Inhalt leise klirrte. Als er den Doch in seinem Mantel verbarg, leuchtete ein Stück rotes Tuch unter dem Ärmel über dem Handgelenk auf. Dann verschwand er, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Der General drehte sich wieder herum, nahm einen Federkiel und kritzelte Befehle auf das Pergament. Das Zelt des Heilers stand etwas abseits von der Masse der Flüchtlinge zwischen Bäumen an einem Fluss, der irgendwo in den felsigen Schluchten des nördlichen Alvergost entsprang. Während Domas Keren dorthin führte, berichtete er ihr, wie es ihm seit der Nacht ergangen war, in der sie mit Tauric geflohen war. Anscheinend hatten ihre barschen Worte an diesem Abend ihn bewogen, seinen Plan, Byrnak zu beseitigen, zu überdenken. Als die Wachen dann später entdeckten, was Keren getan hatte, bestärkte ihn dies in seinem Entschluss.
»Ich habe meinen Unterführern gesagt, dass ich Byrnak verlassen würde und sie gefragt, wer auf meiner Seite steht.« Er lachte. »Alle drei haben sich mir angeschlossen, neben einer Handvoll meiner verlässlichsten Leute. Nachdem Byrnak und seine Kompanie deine Verfolgung begonnen haben, sind wir Deserteure aufgesessen und davongeritten. Den anderen haben wir weisgemacht, wir würden auf ›Bärenjagd‹ gehen.«
»Und dann?«
»Ursprünglich wollten wir nach Norden reiten, nach Casall oder Rauthaz, aber wir hatten nur wenig Proviant dabei. Also haben wir uns ostwärts gehalten und einen der Bergpässe überquert, um unser Glück in Tobrosa zu versuchen. Auf der anderen Seite trafen wir auf den General und seine Männer. Sie gehörten zu einem Flüchtlingstreck, der vor den Plünderungen in Tobrosa floh. Als er uns einlud, uns seiner Kompanie anzuschließen, akzeptierten wir. Das war vor einer Woche. Und seit fünf Tagen sind wir hier.«
Er hielt inne. »Der General ist ein umsichtiger Soldat, Keren. Es ist nicht das Schlechteste, sein Angebot anzunehmen.«
»Das kann ich nicht, Domas. Ich habe wirklich eine andere Aufgabe übernommen.« »Weißt du, was ich glaube? Du hast dich einer dieser Rebellengruppen angeschlossen, von denen wir immer wieder hören. Angeblich hält sich ein ganzer Haufen hier im Bachruz-Gebirge versteckt.« Er strich sich über das Kinn. »Es würde etwa eine Woche dauern, dorthin zu reiten, umzudrehen und hierher zu kommen, meinst du nicht auch?«
Keren gefielen seine fragenden Blicke nicht. Plötzlich wirkten die dämmrigen Schatten der Bäume, zwischen denen sie weit weg vom Licht der Lagerfeuer und den Fackeln standen,
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