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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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trauriges und strenges Gesicht, das die beiden miteinander verflochtenen Aufgaben widerspiegelte, sich der Toten anzunehmen und neues Leben hervorzubringen. Das war die Sichtweise, welche die Eingeweihten und Äbtissinnen des Erden Muttertempels ihn gelehrt hatten. Aber anscheinend hatte das Ende des Vater Baumes alles verändert. Bardow seufzte und rieb sich die müden Augen. Die vielleicht unheilvollste Erkenntnis, die er auf seiner Reise durch die Leere gewonnen hatte, war, dass ihre Göttin rachelüstern geworden war.

12
    Wenn meine
Schlachthorden dich zur Strecke bringen,
und Wolken von Pfeilen dich aufspüren,
frage nicht, wer gegen dich zu Felde zieht
Denn es wardeine Hand,
die all das ausgelöst hat,
deine blutrünstige, schuldbeladene Hand.
    DIE SAGE VON PRINZ HACHTEK, 27, iii, tradierte Weise
    Der Kamm, den sie hinaufstiegen, war ein unfruchtbarer, steiniger Hang. Jeder Stein schien aus einem schwarzen Mineral zu bestehen, dessen Oberfläche matt und uneben war. Der blasse, staubige Dunst durchdrang selbst ihre Gewänder. Suviel erkannte, dass dieses Reich, das Haidar Kekrahan nannte, wirklich ohne Leben war. Keine Bewegung, kein Atem und keine Farbe außer der ihren störte diese Einöde. Die Luft stand und war vollkommen geruchlos, und die Kälte glich mehr einer erträglichen Gefühllosigkeit denn einem beißenden Frost.
    Es war jetzt mehr als eine Stunde her, seit die unbarmherzige Verfolgung durch die Diener der Akolythen Raal Haidar gezwungen hatte, sie erneut hierher zu versetzen. Zeit genug für Suviel, ihre Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen. Obwohl dieses Kekrahan wahrhaftig eine verlassene Einöde war, wusste sie, dass es hier nicht immer so ausgesehen hatte. Häufig fiel ihr Blick auf verdorrte Baumstümpfe, die aus dem Boden emporragten oder halb unter Geröllhalden und Staubdünen verschüttet waren.
    Suviel und der Zauberer saßen zu Pferde, während Gilly und Keren einige Schritte vorausgingen. Langsam kletterten sie den Hang empor. Das Gelände schien der Welt zu gleichen, die sie verlassen hatten, aber in weiter Ferne verblasste der Horizont in einem fremden, schillernden Grau. Ein oder zweimal hatte Suviel Einschnitte in diesem entfernten Schleier bemerkt und so etwas wie kahle, unglaublich hohe Klippen gesehen. Als sie das Raal Haidar gegenüber erwähnte, schüttelte er den Kopf.
    »Das ist nur ein Widerhall eines anderen, weit entfernten Teil dieses Kontinentes«, erwiderte er steif. »Dieses Reich wurde durch Zauberei erschaffen, und die Echos dieser Macht schwingen noch nach. Sie erzeugen von Zeit zu Zeit solche Illusionen.«
    »Was können wir noch erwarten?«, knurrte Gilly. »Gewaltige Städte? Kothaufen in der Größe von Bergen?«
    Der Zauberer sah ihn ausdruckslos an. »Wer weiß?«
    Während sie weiterritten, musterte Suviel Haidar nachdenklich. Er war bemerkenswert gefühllos, zeigte so gut wie keinen Ärger oder Humor und hatte dennoch in Alvergost unermüdlich gearbeitet, um die Kranken und Verwundeten zu heilen. War das nur eine Fingerübung für ihn gewesen, oder verbarg sein unbeteiligtes Äußeres tiefere, stärkere Motive?
    Sie erreichten den höchsten Punkt des Kammes und schauten in die Tiefe. Vor ihnen lag ein breites Tal, das von steilen Hängen eingefasst war. Gewaltige Felsbrocken säumten den Boden, und lange Schluchten kerbten das Tal, bis sie sich in einer gewundenen Linie in einem gewaltigen Abgrund in über einer Meile Entfernung vereinigten. Vermutlich sind es Flüsse gewesen, die einst einen See gespeist hatten, dachte Suviel. Aber sie sah kein Wasser.
    Sie wollten gerade in das Tal hinuntersteigen, als Keren innehielt, eine Hand hob und den Kopf neigte. Sie sah Suviel an.
    »Hast du das gehört?«
    Bevor Suviel antworten konnte, erschallte am anderen Ende des Tales ein schwaches, lang gezogenes Heulen, das sofort beantwortet wurde.
    »Also leben doch Kreaturen hier«, sagte sie zu Raal Haidar.
    »Es sind gefährliche, tückische Bestien«, erwiderte er ruhig. »Sie jagen in Rudeln und haben unsere Witterung aufgenommen. Es wäre klug, wenn wir jetzt in unsere eigene Domäne zurückkehrten. Unsere Verfolger dürften zwar noch eine ganze Strecke entfernt sein, aber es wäre vielleicht von Vorteil, wenn wir zuerst ebenen Boden erreichen.«
    Alle stimmten ihm zu, und sie stiegen hastig in das Tal hinab. Das unheimliche Geheul in der Ferne riss nicht ab. Auf Suviel wirkte es eher trauend als bedrohlich, die Pferde jedoch machte es sichtlich nervös,

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