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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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uraltes, halb verlassenes Dorf gestoßen, deren wenige Bewohner zumeist sehr alt waren. Ich habe kein einziges Kind gesehen. Aber auf dem Dorfanger stand ein gigantischer Agathon-Baum, in dessen Fuß ein gewaltiger Felsbrocken eingelassen war. In diesen Stein war ein kleiner Schrein eingehauen, und das Relief zeigte einen aufrecht stehenden Bären. Die Dorfbewohner sagten mir, es wäre ein Nachtbär, behaupteten jedoch, sie würden die Erden Mutter anbeten. Allerdings habe ich zu den Füßen des Nachtbären frische Opfergaben bemerkt.«
    Suviel betrachtete erneut das Relief und sah, dass die Füße und Hände mehr wie Tatzen wirkten. Einige Mentoren der Priesterschaft der Erden Mutter glaubten, dass ihre wilden Vorfahren die Erden Mutter und den Vater Baum in Gestalt des Himmelspferdes und des Nachtbären anbeteten. Andere dagegen beharrten darauf, dass diese Gottheiten der Aberglauben primitiver Völker waren, die verzweifelt nach Sicherheit in einer Welt suchten, die von der unberechenbaren Gewalt der Elemente beherrscht wurde.
    Keren schaute einen Moment auf den Ausgang. »Shin Hantika«, sagte sie dann leise, »ich möchte Euch etwas fragen.«
    Suviel seufzte. »Ich werde Gilly ermahnen, sich zu benehmen und…«
    »Nein, nein, um ihn geht es nicht. Es ist Raal Haidar. Können wir ihm trauen?«
    »Trauen?« Suviel zuckte mit den Schultern. »Ich kann nur sagen, dass er sich bisher als ein sehr wertvoller Reisegefährte erwiesen hat. Findet Ihr das nicht auch?«
    Die Schwertkämpferin wirkte weniger überzeugt. »Etwas an ihm lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich brauche ihn nur anzusehen, und schon …« Sie schüttelte den Kopf.
    Suviel runzelte nachdenklich die Stirn. Wenn sie nun recht hatte? Konnte Haidar ein Bruder der Akolythen sein, oder ein vom Brunn-Quell geschaffener Magier, wie der Kriegsherr Grazaan? Doch sie alle verließen sich auf Haidars magische Fähigkeiten, und Suviel war davon überzeugt, dass seine Macht nicht vom Brunn-Quell stammte. Sie erinnerte sich daran, wie sich seine Magie anfühlte, die Essenz des heißen Steines …
    »Ich kenne seine Absichten nicht«, erwiderte Suviel so zuversichtlich, wie sie konnte. »Dennoch glaube ich nicht, dass er eine Gefahr für uns darstellt.«
    Keren zuckte die Schultern, eine Geste, die ihre Zweifel so gut wie viele Worte ausdrückte, und zwängte sich an den Ponys vorbei zum Ausgang. Nachdem Suviel die Fackel in einem Spalt in der Felswand eingeklemmt hatte, folgte sie ihr.
    Als der Regen endlich nachließ, dämmerte es bereits, und das bleierne Grau des Himmels verdunkelte sich nach Osten hin. Keiner der vier hatte jedoch große Lust, die Nacht in einer zugigen Höhle zu verbringen, also ritten sie durch die Kälte weiter nach Norden. Schließlich ließ der Regen nach und wurde zu einem schwachen Nieseln, doch dafür frischte der Wind zu einem ausgewachsenen Herbststurm auf, der ihnen eiskalte Tropfen ins Gesicht peitschte. Suviel zog sich die Kapuze ihres Umhangs tiefer ins Gesicht und rieb sich Wangen und Nase, um ihren Kreislauf anzuregen und sich aufzuwärmen. Trotz ihres eigenen Schauderns spürte sie, wie auch ihr Pony zitterte. Sie mussten bald einen Unterschlupf finden.
    Ein mit großen Bäumen bestandenes Gehölz tauchte aus der Dunkelheit vor ihnen auf, und sie kamen an eine Weggabelung. Keren zügelte ihr Pferd und deutete auf den Pfad, der vor ihnen abzweigte. »Ich erinnere mich an ein kleines Gut hinter diesen Bäumen«, sagte sie. »Wir könnten dort Schutz suchen.«
    Es gab dort tatsächlich ein Gut, aber kein Licht hieß sie willkommen. Sie fanden nur die Mauern eines verlassenen Bauernhauses und ein paar Hütten vor. Sie suchten sich einen Unterschlupf aus, dessen Dach noch intakt war, entzündeten in dem grob gemauerten Kamin ein Feuer und wrangen ihre durchnässte Kleidung aus. Dann richteten sie sich auf die Nacht ein. Gilly übernahm die erste Wache. Als sie in der Frühe aufwachten, rauschte der Wind in den Bäumen und heulte durch die Ritzen der verfallenen Hütte. Der Himmel bot ein düsteres Schauspiel. Gewitter- und Regenwolken eilten auf den Schwingen eines Sturmes nach Norden. Als sie die Hütte verließen, schien der Wind, der gestern noch ihr Weiterkommen behindert hatte, sie heute sogar voranzutreiben.
    Kurz darauf erreichten sie Ilonye, ein Tal, das an Prekine grenzte. Es war schmaler als die Ubanye-Klamm, der Boden unebener, und seine Berghänge waren steiler und dichter bewaldet. Der Nebel verhinderte den

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