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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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auf der Klippe unterschieden sich durch ihre Symmetrie von dem unteren Lager. Hier herrschten Rottöne vor, zumeist Dunkel- und Blutrot. Merkwürdig geformte Banner mit unbekannten Symbolen hingen an dünnen Holzlatten, die unter jedem Baldachin hervorragten. Sie flatterten in einer Bö, die auch den Rauch der wenigen Feuer zwischen den Zelten hindurchtrieb. Byrnak nahm den Geruch von verbranntem Steinholz und zerkochtem Essen wahr, während ihr Führer sie zu dem mit einer Plane geschützten Eingang von Ystreguls großem Zelt führte. Davor hielt eine Gruppe von Kriegern in dicken Lederharnischen und metallenen Handschuhen Wache. In den Händen hielten sie schwere, scharfe Waffen, hauptsächlich Langschwerter und Streitäxte. Sie gestatteten Byrnak erst, das Zelt zu betreten, nachdem er seine Waffen abgegeben hatte.
    Das Innere bestand aus einer einzigen Kammer, deren Decke niedriger als das äußere Zelt zu sein schien, da man große Bahnen gemusterte Seide auf eine Lattenkonstruktion gespannt hatte. Über dieser seidenen Zwischendecke brannten Lampen und warfen ein diffuses, farbiges Licht auf die Tierhäute, mit denen der Boden ausgelegt war. Lange Stoffbahnen bildeten an den Seitenwänden kleine Nischen, in denen Männer in weiten, grünen Gewändern mit gekreuzten Beinen und gesenkten Köpfen saßen. Ihre Hände ruhten mit den Handflächen nach oben auf dem Boden. Keiner von ihnen blickte hoch oder rührte sich auch nur, als die beiden Neuankömmlinge hinter dem Herold an ihnen vorübergingen. Byrnak versuchte, in ihren Geist zu spähen, fand jedoch nichts, weder Gefühl noch Verstand, sondern nur Leere.
    Einige Akolythen mitsamt ihren Dienern und Schreibern scharten sich um einige Tische auf der anderen Seite der Kammer. Als die drei näher kamen, meldete sich eine ruhige Stimme zu Wort. Die Untergebenen traten beiseite und gaben den Blick auf ihren Herrn frei. Byrnak war Ystregul bisher nur in der traumschweren Umgebung des Reiches der Dämmerung begegnet, und auch das nur wenige Male. Dort glich Ystregul den anderen Schattenkönigen in Erscheinung und Aura. Jetzt jedoch sah Byrnak, dass er sie um gut einen halben Meter an Körpergröße überragte, obwohl der Schwarze Priester auf einem schweren, mit Schnitzereien verzierten Stuhl aus Eisenholz saß. Sein Kopf war größer und kantiger, und sein langer, schwarzer Bart lief spitz zu. Seine schwarze Haarmähne war kunstvoll über die Schultern gefächert, und die dunklen, faszinierenden Augen blickten unter buschigen Brauen hervor, während die vollen, sinnlichen Lippen die Andeutung eines Lächelns zeigten. Ohne hinzusehen, wusste Byrnak, dass Obax und der Herold vor Ehrfurcht auf die Knie gefallen waren, überwältigt von Ystreguls Ausstrahlung.
    »Sei gegrüßt, Bruder, und willkommen in meinem bescheidenen Domizil.« Die Stimme des Schwarzen Priesters war tief und wohlklingend. Und befehlsgewohnt.
    Byrnak lächelte knapp. »Sei gegrüßt«, erwiderte er und musterte die prachtvolle Umgebung. »Ja, es genügt dir wohl gerade so. Obwohl ich verstehe, dass du den größten Teil der Einrichtung gerne behalten möchtest, wenn du in dein neues … Domizil umziehst. Was du hoffentlich bald tust, Bruder, denn ich habe eine Menge Arbeit vor mir …«
    Byrnak brach ab, als Ystregul den Kopf in den Nacken warf und schallend lachte.
    »Mein erlauchter Bruder.« Ein Ausdruck tückischen Vergnügens überzog sein Gesicht. »Ich werde nirgendwo hingehen. Hier sitze ich und bleibe.«
    »Soweit ich verstanden habe, sollte ich das Kommando über das Blutfest übernehmen.« Ystregul hob träge eine Hand und schnippte mit den Fingern. Schlagartig waren sie von völliger Stille umgeben und konnten sich nur noch gegenseitig hören. Byrnak hob fragend eine Augenbraue. »Das hast du missverstanden«, erwiderte der Schwarze Priester. »Du bist der General der Mogaun-Horden, bestimmst ihre Strategie und setzt sie ein, wenn wir aufbrechen. Alles andere bleibt in meiner Hand und unter meiner Führung.«
    »Du verwirrst mich, Bruder. Was außer unserem Plan könnte deine Aufmerksamkeit fordern? Womit beschäftigst du dich?« Byrnak trat zu einem seidenen Gobelin, der mit Goldfäden durchwirkt war. »Ich frage nur aus Neugier.«
    »Meine Schüler haben viele Aufgaben zu erledigen«, erwiderte Ystregul und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Trotz der sechzehnjährigen Besatzung sind die Akolythen und ihre Diener an dem Versuch gescheitert, die Anhänger der verrottenden Erden

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