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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Land,
In dem bin ich einst ein Prinz gewesen.
    JEDHESSA GANT,
Die Verzweifelten Herren, Akt I, ii, 9
    Im Vogelschlag war es warm und ein schwerer Geruch nach Kot und Tierleibern hing in der Luft. Hauchdünne Streifen der Mittagssonne drangen durch die Spalte zwischen den Balken, zerschnitten die Dämmerung und fielen auf Weidenkörbe sowie eine vorgebeugte Gestalt, die murmelnd mit sich selbst redete, während sie ihre Schutzbefohlenen betrachtete.
    Bardow wartete am Eingang der Falltür und wedelte sich mit einem weiten Ärmel Luft zu. Er genoss die frische Luft, die gelegentlich von unten heraufwehte. Ganz gleich, wie oft der Erzmagier hierher kam, immer hatte er das Gefühl, als würde jemand einen Anschlag auf seinen Geruchssinn verüben, und er brauchte eine Weile, bis sich seine Sinne auf die Gerüche eingestellt hatten. »Was war das noch mal für ein Ort, Baas?«
    Bardow lächelte dünn. Mecadri stammte von den Ogucharn-Inseln und hielt nicht viel von respektvollen Anreden.
    »Oumetra, Scallow, Oskimul und Scarbarig«, erwiderte er.
    »Scarbarig? Hm… Das ist doch diese Bergbaustadt südlich von Sejeend, stimmt's?« »Ebendiese.«
    Mecadri, der Vogelhüter, nickte und schlurfte zu ihm herüber. Er war ein kleiner, untersetzter Mann mit einem wuchernden Bart, und trug mehrere Schichten schmutziger Kleidung übereinander, die mit Essensresten und Fragmenten der Vogelnahrung förmlich übersät waren. Auf seinem Kopf saß ein uralter, formloser Schlapphut, dessen breite Krempe ausgefranst und eingekerbt war.
    Er streckte die Hand in einem alten Lederhandschuh aus, dessen Fingerspitzen abgeschnitten waren. Bardow drückte ihm einige Papierstreifen in die Hand, zwei für jede Stadt. Nur die Nachricht nach Oumetra war dreifach ausgefertigt worden. Mecadri schüttelte den Kopf und schnalzte missbilligend mit der Zunge.
    »Es ist pure Verschwendung, drei Vögel zu schicken, Baas«, nuschelte er. »Aus Oumetra kommt vor Ablauf einer Woche mit Sicherheit keine Nachricht.«
    »Diese Nachricht muss unbedingt ihren Empfänger erreichen«, erwiderte Bardow. »Die Zeit arbeitet gegen uns, und ich kann nicht riskieren, dass einer deiner Vögel an einen Falken oder einen Nachtjäger verloren geht, wenn er allein die Nachricht trägt.«
    »Wie Ihr wünscht«, erwiderte der Taubenhüter. Er kehrte zu den Käfigen am anderen Ende des Schlages zurück und widmete sich den Papierstreifen und den Vögeln, die er als Boten ausgewählt hatte, während er ein altes Trinklied summte.
    Bardow sah ihm zu, doch seine Gedanken drehten sich um das, was er in der letzten Nacht herausgefunden hatte. Die Anrufung des Gedankengesangs des Geflügelten Geistes war weit anstrengender gewesen als beim vorherigen Mal und hatte ihn an den Rand der völligen Erschöpfung getrieben. Er hatte kaum noch eine Nachricht an Ikarno Mazaret nieder kritzeln können, bevor er in einen totenähnlichen Schlaf gesunken war, aus dem er erst am frühen Morgen aufgewacht war. Seine Nachricht an Mazaret bestand nur aus wenigen Worten.
Oumetra, ein Platz mit zwei Brunnen, Haus der Schafe, Blumen im Fenster,
und sein Wissen um ihre genaue Bedeutung war im besten Fall getrübt. Genau erinnerte er sich jedoch noch an die ungeheuere Willensanstrengung, die es ihn gekostet hatte, nach einem Thronfolger der Tor-Cavarill zu suchen und die Spuren der Blutlinie dieses Hauses durch die Schlünde und Schleier der Zwischenwelt bis nach Oumetra zu verfolgen. Von den anderen Entdeckungen, die er gemacht hatte, schrieb er nichts in dieser Nachricht. Als er die Schwertkämpferin Keren suchte, hatte sich der Geflügelte Geist nicht von der Stelle gerührt, was bedeutete, dass sie tot war. Und als er dasselbe bei Gilly versuchte, ergab die Suche nur, dass sich der Mann irgendwo im Nordosten befand, vermutlich in Zentral- oder Nord-Khatris. Tauric dagegen schlummerte friedlich in dem befestigten Kloster Barinok und hatte keine Ahnung von Volyns Nachricht, die auf ihn zukam.
    Doch seine Hauptsorge galt Suviel. Der Geflügelte Geist hatte ihn durch das Zwischenreich getragen und ihn südlich von Prekine zu einem schmalen Pfad gebracht, der an einer Schlucht entlang führte. Dornige Büsche erstickten förmlich diese Klamm, bis sie auf einer Lichtung mündete, auf der eine Gruppe von Reisenden unter einem dämmrigen, sternlosen Himmel lagerte. Suviel hockte, mit einer Robe angetan, gebunden und geknebelt auf einem kleinen Karren, neben dem eine Gestalt stand und etwas zu ihr sagte. Dann

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