01 - Suche bissigen Vampir furs Leben
menschlichen Makeln. Und welche Mängel sie auch immer besessen hatten, als sie gewandelt wurden - alles von Akne bis zu Fußpilz -, sie würden ihnen bis in alle Ewigkeit erhalten bleiben. Ty hatte immer noch seine Narben und Esther ihre Cellulitis.
„Ein Schenkelwickel also, wie?“ Ich nickte. „Vielleicht sollte ich das auch mal versuchen.“
Esther beäugte mich, als ob mir gerade ein Heiligenschein gewachsen wäre.
„Sie haben so was doch gar nicht nötig. Sie winzig kleines Ding. Was für eine Größe tragen Sie? 38?“
„36.“
Sie seufzte. „Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, je in 36 hineingepasst zu haben. Damals, als ich gewandelt wurde, gab es noch gar keine Konfektionsgrößen. Man konnte sich noch nicht mal Kleider von der Stange kaufen, man musste sie sich selber nähen.“
„Wie lange ist das jetzt her?“
„Ungefähr hundert Jahre. Ich war dreiunddreißig.“
Bin ich gut oder was? „Woher kommen Sie?“
„Texas. Barron's Bluff. Eine kleine Siedlung südlich von San Antonio. Heute ist nicht mehr viel davon übrig. Nur ein paar verkommene Häuser. Aber damals war es ein schöner Ort, um dort zu leben.“ Sie lächelte. „Und sich zu verabreden. Junge, ich konnte mich vor Verehrern kaum retten in meiner Blütezeit. Aber meine Mama wurde krank und ich musste zu Hause bleiben, um mich um sie zu kümmern, deshalb kam eine Heirat nicht in Frage. Ich wurde eine alte Jungfer. Und dann kam dieser verrückte Bergarbeiter - zumindest dachte ich, er wäre ein Bergarbeiter - in die Stadt geritten und entführte mich mitten in der Nacht von der Farm. Mich und noch zwei andere Frauen aus nahe gelegenen Siedlungen. Er verkaufte uns an einen Mann, der uns das Blut aussaugte und uns wandelte. Die anderen beiden Frauen waren die Vorspeise und das Dessert. Ich war der Hauptgang, weil ich so gut genährt war.“
„Und Sie hatten keine Verabredung mehr, seit der Zeit, bevor Sie gewandelt wurden?“
Sie nickte. „Lange davor, wegen meiner Mama. Und jetzt ...“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist eine andere Welt. Männer sehnen sich nicht mehr nach einem weichen Körper, an den sie sich kuscheln können. Sie wollen lange, schlanke Beine.“ Sie verzog das Gesicht und nestelte an der Handtasche auf ihrem Schoß herum. „Und straffe Bäuche. Und feste Brüste.“ Sie blickte nach unten.
„Brüste habe ich ja, aber die sind seit meinem achtzehnten Lebensjahr nicht mehr fest.“
„Nicht alle Männer interessieren sich nur für feste Brüste.“
„Stimmt, aber ich will eben gar keinen menschlichen Mann. Ich habe eine ganze Reihe von Verwandten beerdigt. Ich wollte sie nicht wandeln und zu demselben Schicksal verdammen.“ Sie schüttelte den Kopf. Trauer erfüllte ihren Blick. „Wenn ich mich mit jemandem einlasse -falls das je geschieht -, dann wird es jemand wie ich sein. Das Problem ist nur: Warum sollte ein gewandelter Vampir eine alles andere als perfekte Vampirfrau haben wollen, wenn er doch jede menschliche Frau bekommen kann, die er nur will?“
Da hatte sie nicht unrecht. Gebürtige männliche Vampire mussten eine gebürtige Vampirfrau erwählen, um die Rasse fortzuführen. Aber gewandelte Vampire waren nicht mit dieser genetisch einprogrammierten Treue ausgerüstet. Ihre Überlebensinstinkte konzentrierten sich ganz auf sich selbst. Wie auch bei der Nahrungsaufnahme. Da alle Männer - Menschen und Vampire gleichermaßen - visuell veranlagte Geschöpfe sind, war es nur allzu verständlich, dass sie sich zum Saugen lieber eine hübsche Frau als eine hässliche aussuchten.
„Ich weiß, es scheint jetzt ziemlich hoffnungslos zu sein, aber ich bin sicher, irgendwo da draußen gibt es jemanden für Sie.“ Was erzählte ich da eigentlich? „Sie werden es nie wissen, wenn Sie es nicht wenigstens versuchen. Wow! Ein ganzes Jahrhundert ohne Date.“ Ich klang schockiert, aber in Wahrheit war ich nicht einmal besonders überrascht, angesichts der Tatsache, dass ich in demselben Zeitraum auch nicht ein einziges offizielles Rendezvous gehabt hatte. Dabei war ich nur ein winzig kleines Ding.
„Wir nannten es damals jemandem den Hof machen. Auch wenn ich nie geheiratet habe, so lag dies nicht daran, dass ich keine Chancen gehabt hätte.
Ich erhielt immerhin drei Anträge. Drei.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber ich konnte nicht einfach fortgehen und meine Mama allein lassen. Sie hatte Alzheimer. Das wusste ich damals natürlich noch nicht, wir hatten ja keine Ahnung von solchen
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